Klaus Ender

(1939 - 2021), deutsch-österreichischer Fachbuchautor, Poet, bildender Künstler der FotografieFoto: Klaus Ender

Ich feierte vor kurzem meinen 70. Geburtstag und hatte somit Zeit genug, über mein Leben nachzudenken. Was prägte mich – und warum bin ich, wie ich bin? Und da fielen mir 7 Lebensabschnitte ein, die maßgeblichen Anteil an meinem Werden haben.
Über allem steht „Wider den Zeitgeist“, was ich mir und Ihnen erklären möchte. Ich wurde 5 Monate vor Beginn des 2. Weltkrieges geboren und erfuhr in aller Härte, was Zeitgeist heißt.

Nazizeit: Meine Mutter ging mit mir 5 1/2- jährigen Jungen in ein Geschäft und grüßte den Inhaber des Ladens freundlich mit „Guten Tag!“ Er schaute meiner Mutter wütend ins Gesicht und brüllte den Arm schräg nach oben ausstreckend: „Auch für Sie, Frau Ender, heißt es immer noch „Heil Hitler“ und knallte im gleichen Augenblick die Hacken zusammen.
Immer noch erschrocken und zu Hause angekommen, fragte ich meine Mutter, was das für ein Mann war. Sie sagte ein Nazi – und ein SA-Mann. Als etwa 4 Monate später die russische Soldateska Landsberg einnahm, sah man aus seinem Haus eine große, rote Fahne hängen…
Ganz leise gestellt, hörte man im Volksempfänger ausländische Nachrichten und an den Wänden vieler Häuser sah man eine dunkle, mystische Gestalt, die einen Spruch zierte. „Pst – Feind hört mit!“ erklärte mir meine Mutter. Durch Erlebnisse dieser Art wurde mein zutrauliches und ehrfürchtiges Verhältnis zu Erwachsenen für immer gestört und ich erfuhr das Wort ZEITGEIST in übelster Art.

„Sowjetische Besatzungszone“ hieß nun der östliche Teil des Großdeutschen Reiches – und wir wurden integriert. „Es geht aufwärts, sagte meine Mutter, obwohl die Russen Tag und Nacht die Maschinen (als Reparation) aus denWerkhallen abtransportierten. Und ich fing nochmals an, den Glauben an die Erwachsenen aufzubauen, als ich in einer Kulturveran­staltung mit einem Holzgewehr auf der Bühne spielte und ein alter Landser auf mich zukam. Er nahm das Gewehr, zerbrach es über den Knien und rief: „Damit nie wieder eine Mutter ihren Sohn beweint!“ Ein tief-gedemütigtes – und den Krieg verlorenes Publikum klatschte so stürmisch Beifall wie ich. Wenige Jahre später wurde aufgerüstet, Polizei, Kasernierte Volkspolizei, Kampfgruppen – Volksarmee. Hatten wirklich alle vergessen, was sie gelobt hatten? Ich nicht! Zeitgeist?

„Die DDR…“  Mein Kindheitswunsch – Förster zu werden – zerbrach, da ich 90 % linken meines Augenlichtes durch Masern verloren hatte. Lehrstellen gab es kaum und weil Brot jahrelang so angesehen war wie reines Gold, wurde ich Bäcker. Im letzten Lehrjahr weigerte ich mich Schützengräben auszuheben, die Walter Ulbricht angeordnet hatte, weil der „Westen aufrüstete“. Es kam zur harten Auseinandersetzung mit der Schulleitung, die mir androhte, dass ich den Gesellenbrief nicht erreichen könnte, weil meine Noten zur Strafe gesenkt würden.

„Die BRD...“ Erst einen Monat 18 Jahre alt – und volljährig – floh ich nach Westdeutschland. Ich kam nach Baden-Württemberg und lernte weiter. Im Dorf hieß ich „der Flüchtling aus dem Osten“ und als ich Pfingsten den Gottesdienst in einer katholischen Kirche ablehnte, hieß ich „Saupreuß“.
Niemand sprach mehr mit mir und als ich den Prozessionszug mit Hunderten Reitern, Heiligenbildern und knienden Menschen sah, die den Rocksaum der Bischöfe und Kardinäle küssten, dachte ich, das wäre ein historischer Film. Es war aber nur der Zeitgeist einer allmächtigen CDU, die leider vergessen hatte, dass man den Nächsten liebt wie sich selbst.
Ich hatte – da man in der BRD erst mit 21 Jahren volljährig wird – einen Vormund bekommen. Der errettete mich und brachte mich ins weltoffenere Friedrichshafen am Bodensee, wo ich meinen Gesellenbrief machte.

„Rückkehr in die DDR“ Die Gefühlskälte des Westens ließ mein Heimweh immer mehr wachsen und nach knapp 2 Jahren überquerte ich die Staatsgrenze der DDR. Nach dreiwöchiger „Rotlicht-Behandlung“ wurde ich in meine Heimatstadt entlassen. Dass ich von diesem Datum an (Herbst 1958) bis 1965 unter ständiger Beobachtung der Stasi stand, erfuhr ich erst nach der Wende.
Der erste Fotoapparat, den ich mir im Westen auf Raten geleistet hatte, wurde meine Basis zur Ergreifung des Fotografen-Berufes. Nach 6 Jahren enthusiastischer Amateurtätigkeit erhielt ich in Binz a. Rügen die Zulassung als Bildreporter. Ich machte eine beachtliche Karriere als Akt- & Landschaftsfotograf, dessen Genres mir ermöglichten, dem sozialistischen Zeitgeist zu entfliehen. Fast vierzigjährig begriff ich, dass ich als Fotograf nie die Länder dieser Erde sehen dürfte und erinnerte mich meines unehelichen Vaters österreichischer Herkunft. Über die Ostberliner Österreichische Botschaft erhielt ich 1979 die österreichische Staats­bürger­schaft. Die Schikanen der DDR wurden so groß, dass ich 1981 – zweiundvierzigjährig –  ausreisen musste.

„Österreich“ Mit wenigen Devisen kam ich in ein (für Ossis) unvorstellbar schönes Land, dass mir alles Gute zum Neuanfang wünschte, aber keine sozialen Rechte einräumte, da ich dort noch nie gearbeitet hatte. Die Aktfotografie entfiel in diesem katholischen Land, die Schwarz-weiss-Fotografie hatte man hinter sich gelassen und ich hatte 7 schwere Jahre vor mir. Willy Bogners „Feuer & Eis“, James Bond & Co und die Sensationshascherei der Westmedien hatten den ZEITGEIST geformt. „Wenn Sie, Herr Ender, nicht Aktionsfotografie machen, dann gehen sie unter“. Wie immer, wenn es darum ging, dem Zeitgeist zu trotzen, nahm ich den Kampf auf – und gewann. Ich gewann mit Bildern der Stille und Besinnlichkeit.
Die über 1 Million verkauften Bücher des Verlages Herder, die ich illustrierte, beweist, dass es viele Menschen gibt, die dem Zeitgeist nicht frönen. 
1989 hatten 12 Bücher, dutzende intern. Kalender, Workshops, Fachbeiträge u.v.m den „Durchbruch“ gebracht. Es war ausgerechnet das Jahr, in dem die Wende in Deutschland geschah.

„Rückkehr in die BRD“ 1996 ging ich mit meiner Frau, die ich 1984 in der DDR geheiratet – und nach Österreich geholt hatte, zur Insel Rügen zurück, die nun auch BRD geworden war. Nach der Gründung unseres ART PHOTO ARICHVS KLAUS ENDER (1990 in Österreich), gründeten wir 2003 den gleichnamigen Verlag, um unsere eigenen Ideen durchzusetzen, da sie mit dem heutigen Zeitgeist nicht vereinbar sind. Ich begann 2002 wieder zu dichten, was ich 17-jährig schon tat – und da ich schon etliche Bücher geschrieben hatte, fiel es mir nicht schwer, dieses wieder entdeckte Genre mit meinen Bildern zu vereinen.
Es entstanden über 1.500 Gedichte und ähnlich viele Aphorismen, aus denen (bisher) 8 Poesiebildbände, diverse Kalender und unzählige Kunstpostkarten gemacht wurden. Der präzise formulierte Gedanke in Form eines Aphorismus und die Versform des Gedichtes spielen in meiner Arbeit eine große Rolle. Die Natur und ihr Schutz, die Poesie und die Erhabenheit der Schöpfung sind unsere Schwerpunkte.
Wir vermeiden schrille Bilder, frönen keiner Modewelle und versuchen, dem immer flacher werdenden Niveau in der Dichtung, der schwindenden Ethik und Moral etwas entgegenzu­setzen. Was meiner Mutter einst am Herzen lag, versuche ich in Wort & Bild für jene Menschen aufzubereiten, die Sinn für Natur, Stille und Ästhetik haben.
Wer mehr über mein bewegtes Leben wissen möchte, dem empfehle ich meine Autobiografie „Die nackten Tatsachen des Klaus Ender“.

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