Gedicht zum Thema: Mond
Diese Richtung ist gewiß
Immer schreite schreite,
Finsterniß und Hinderniß
Drängt mich nicht zur Seite.
Endlich leuchtest meinem Pfad
Luna! klar und golden
Immer fort und immer grad
Geht mein Weg zur Holden.
Nun der Fluß die Pfade bricht
Ich zum Nachen schreite,
Leite, liebes Himmelslicht
Mich zur andern Seite.
Seh ich doch das Lämpchen schon
Aus der Hütte schimmern,
Laß um deinen Wagenthron
Alle Sterne glimmern.
Immerhin und immerfort,
Allzuschön erscheinend,
Folgt sie mir von Ort zu Ort
Und so hab ich weinend...
Überall umsonst gefragt
Feld und Flur durchmessen,
Auch hat Fels und Berg gesagt:
Kannst sie nicht vergessen.
Wiese sagte: geh nach Haus,
Laß dich dort bedauern;
Siehst mir gar zu traurig aus
Möchte selber trauern.
Endlich fasse dir ein Herz
Und begreifs geschwinder:
Lachen, Weinen, Lust und Schmerz
Sind Geschwisterkinder.
(1749 - 1832), gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung
Quelle: Goethe, J. W., Gedichte. Ausgabe letzter Hand. 1827, Neugriechische Liebe-Skolien