Lexikon: Aphorismus

Wer oder was sind eigentlich Aphorismen?

Singular: Aphorismus Plural: Aphorismen.
Der Begriff »Aphorismus« wird erstmals von Hippokrates, dem berühmten Arzt der Antike, verwendet. »Aphorizein« bedeutet »abgrenzen«. Hippokrates verstand darunter kurze medizinische Ratschläge, die sich darauf bezogen, wie man leben soll, um gesund zu bleiben. Der Aphorismus ist eine prägnant knappe, geistreiche oder spitzfindige Formulierung eines Gedankens, eines Urteils, einer Lebensweisheit. Nach Inhalt und Stil anspruchsvoller als das Sprichwort; ausgezeichnet durch effektvolle Anwendung rhetorischer Stilmittel (Antithese, Parallelismus, Chiasmus, Paradoxon) und durch auffallende Metaphorik. 

Als Denkanspruch bisweilen überspitzt, auf überraschende Wirkung bedacht; will den Leser verblüffen, seine Kritik herausfordern. Der Begriff wurzelt im griechischen "Aphorismos", was ursprünglich Unterscheidung oder auch Lehrsatz bedeutete und vorwiegend in der Medizin Verwendung fand. Später, in der französischen Literatur, wurde das Wort neu definiert und schließlich in Deutschland durch Lichtenberg bekannt gemacht. Und doch hat niemand den Begriff so zielsicher auf den Punkt gebracht wie die österreichische Erzählerin und Aphoristikerin Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach, indem sie feststellte, dass der Aphorismus »der letzte Ring einer langen Gedankenkette« ist.
Oder wie Prof. Michael Jung sagt: »Der Aphorismus stellt es hochkarätig konzentriert dar. Würde man diese Literaturform mit der Kunst des Automobilbaues vergleichen, wäre das die "Formel 1".«

Ein Auszug aus dem umfassenden Werk "Vom Werden und Wesen des Aphorismus" von Andreas Egert:

"Im folgenden soll der Bedeutungs- und Entwicklungsgeschichte des Wortes und der Gattung ansatzweise auf die Spur gekommen werden, einer Tradition, die sich mit Hippokrates und auch Heraklit in der Antike gründet.
Nach Schalk hat das Wort Aphorismus in der Antike einen vierfachen Sinn. Einerseits versteht man darunter soviel wie Abgrenzung, Begrenzung und Unterscheidung in der lateinischen Definition. Des weiteren gilt ein medizinischer Sinn, der lehrsatzhaft die koische, hippokratische Schule auszeichnet, zum dritten ist Aphorismus in der Bedeutung von Sentenz, Gnome, Sinn- oder Weisheitsspruch auszulegen. Die vierte Spielart der Interpretationsvielfalt nimmt auf den präzisen und konzisen Stil Bezug.
Wenn man so will, ergibt sich schon in der Antike eine Nichtübereinstimmung, eine fehlende Kongruenz, von Wort und Gattung, wenn man Heraklit neben Hippokrates stellt. ...
Als weitere brillant-nervöse Geburtshelfer in der deutschen Anfangsphase der Gattung, von der Mitte des achtzehnten (Lichtenbergs Beginn der Sudelbuch-Aufzeichnungen) bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts (Nietzsches letzte Aufzeichnungen), sind wenigstens Hamann, Ritter, Klinger, Heinse, Einsiedel, Goethe, Görres, Alexander von Humboldt, Jean Paul, Seume, Friedrich und August Wilhelm Schlegel, Novalis, Schopenhauer, Heine und Jochmann aufzulisten.
Deren wichtigste weibliche Nachfolgerin ist Ebner-Eschenbach als nahezu einzige Frau der Gattungsgeschichte, in der männlichen Riege folgen Hofmannsthal, Nestroy, Schnitzler und Wittgenstein um die (Wiener) Jahrhundertwende und daran anschließend im Laufe des nächsten Jahrhunderts in einer Auswahl Kraus, Kafka, Benn, Tucholsky, Musil, Adorno, Canetti, Hille, Morgenstern, Benjamin, L. Marcuse und Jünger, aber auch ein Autor wie Johannes R. Becher. ..."

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