22 Gedichte von Karl Ernst Knodt.
Weißt du – wo?
Weit – weit –
hart an der Ewigkeit,
über den Zeiten,
ganz hinter Mitternacht,
wo schauernd schreiten
Füße der Geister sacht,
wo gar kein Wald mehr
und keine Wiese lacht,
wo, dieses Lebens leer,
schläft eines Ozeans Macht,
– dort winkt ein Streifen Strand,
dort kreist die Sehnsucht mein
adlergleich, ganz allein,
suchend nach Land.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
Verträumte Jugend
Mir liegt ein Lied voll Leide
schon lang, so lang im Sinn.
Über die träumende Heide
trug ich's erst leise hin.
Weit in schlafende Wälder
schleppt ich sein schluchzendes Herz;
über weiße Winterfelder
wehte wie Wind sein Schmerz.
Heut soll sein Klagen gehen
hinaus mit klingendem Schrei;
Nie hab ich die Jugend gesehen!
Nun ging sie ewig vorbei.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
An den Flieder
Flieder, blütenfroher Flieder,
schlägst du bald die Augen auf,
deine leuchtenden blauen Augen?
Sehnsucht nach dir durchblüht das land,
Veilchen sind fort. Noch reden nicht Rosen.
Aber die leisen Glöckchen des Maien
läuten. Sie lockten dich immer herbei.
Heiß brennt die Sonne,
heißer die heimliche Sehnsucht nach dir.
Flieder, blühst du,
stillt sich die Sehnsucht, –
lösest ganz leise die Flügel der Seele,
lähmst durch ein wonnig-weiches Ermüden
die vor Erwartung erregten Gedanken,
wandelnd Lust und Leid in lauter
blühendes, liebendes All-Empfinden.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
»Alle Kreatur sehnt sich mit uns«
Seh ich am Morgen auf dem Feld
im Tau die Gräser stehen,
gewahr ich, wie die weite Welt
in Sehnsucht will vergehen.
Und wenn sich um des Dorfes Turm
die Wandervögel sammeln,
hör ich aus ihrer Flügel Sturm
ein dunkles Heimweh stammeln.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
Reife
Im hohen, heißen Sommer,
Wenn schwanger alle Luft,
Spürst du ganz einen eignen,
Der Reife schweren Duft.
Es weht ein drängend Leben
Von jedem Halme her.
... Auch du, mein Herz, wie trägst du
An deiner Liebe schwer.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
Heimweh
(An Kl.)
O Gott! Das hab' ich nicht gewußt,
Daß meine Seele sterben mußt,
Da ich dich hab' verlassen,
Du heilig Tal, du Heimat-Tal
Mit deinen stillen Sonntagsgassen.
Nun hab' ich meiner Sehnsucht
Ungestillte Qual.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
Ein Geheimnis
Ihr wißt so viel vom Tod zu sagen,
Vom Grab, in das man mich wird tragen,
Ihr Pred'ger....Doch ich traue nicht
Dem von euch selbst erborgten Licht.
Nur Einer steckte leise Lichter
Auf Höhen an. Er war kein Dichter,
Kein Prediger. Er war Prophet,
Und all sein Atmen war Gebet.
Der sprach vom großen Vaterhause
Und – daß dort jedem seine Klause
Bereitet sei … Er ging voran
Und hat die Tür uns aufgetan.
Doch die Ihr führet seinen Namen,
Ihr wißt auf alles gleich ein – Amen –,
Wonach ich nur die Sehnsucht hab';
Denn ein Geheimnis bleibt das Grab.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
Frage
Ich frage Dich: Sag' mir das Rätsel des Lebens,
Sag' mir des Seins und der Sehnsucht Sinn!
Ist alles Sehnen und Streben vergebens?
Kannst Du mir künden: "Woher?" und "Wohin?"
Ich klopfte an allen Toren der Erde.
Bis zu den Sternen stieg ich empor.
Am Leib erlebt' ich das "Stirb und Werde".
Die Seele sang mit den Engeln im Chor.
Ich hab' mit Dämonen um mich gestritten
Und mit dem Dämon in eigener Brust.
Ich hab' mich gemüht, ich habe gelitten,
Wie's keinem, auch keinem ward bewußt.
Da kamst Du, Mensch gleicher Sehnsucht, gegangen,
Der Du selber gekämpft bis aufs Blut.
Wir sahen uns nackt, – kein Fetzen blieb hangen –,
Wir beide wissend, wie Leben tut.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter
Der stille Garten
Wie gefangen liegt die Sonne
Hier in meinem kleinen Garten,
Wo zu immer neuer Wonne
Tausend Wunder auf mich warten.
Fühle von der Welt da draußen
Nichts mehr hinter seiner Türe,
Lass die Stürme all' verbrausen;
Keiner, der ans Herz mir rühre.
Nur den Mond noch und die Sterne
Laß ich in den Garten sehen,
Und so darf ich in die Ferne
Lauter goldne Wege gehen.
Karl Ernst Knodt (1856 - 1917), deutscher Dichter