5 Zitate und 20 Gedichte von Ludwig Hölty.
Mailied
Der Anger steht so grün, so grün,
Die blauen Veilchenglocken blühn,
Und Schlüßelblumen drunter,
Der Wiesengrund
Ist schon so bunt,
Und färbt sich täglich bunter.
Drum komme, wem der May gefällt,
Und freue sich der schönen Welt,
Und Gottes Vatergüte,
Die diese Pracht
Hervorgebracht,
Den Baum und seine Blüthe.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Quelle: Hölty, L., Gedichte. In: Wilhelm Michael, Ludwig Christoph Heinrich Hölty's Sämtliche Werke, Bd. 1. Gesellschaft der Bibliophilen, Weimar 1914ff.
Wer wollte sich mit Grillen plagen,
So lang uns Lenz und Jugend blühn?
Wer wollt’ in seinen Blütentagen
Die Stirn in düstre Falten ziehn?
Wie wunderschön ist Gottes Erde
Und wert, darauf vergnügt zu sein;
Drum will ich, bis ich Asche werde,
Mich dieser schönen Erde freun.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Quelle: Hölty, L., Gedichte. Aufmunterung zur Freude, 1777
Rosen auf den Weg gestreut,
Und des Harms vergeßen!
Eine kleine Spanne Zeit
Ward uns zugemeßen.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Quelle: Hölty, L., Gedichte. Aus: Lebenspflichten, entst. 1776, Erstdruck in: Musenalmanach für 1778, hg. von Johann Heinrich Voss, Hamburg. Originaltext
Wie dem Pilger der Quell silbern entgegenrinnt,
Wie der Regen des Mays über die Blüthen träuft,
Naht die Liebe; des Jünglings
Seele zittert, und huldigt ihr!
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Quelle: Hölty, L., Gedichte. Aus: Die Liebe, entst. 1773, Erstdruck in: Musenalmanach 1774, Göttingen. Originaltext
Die Liebe
Eine Schale des Harms, eine der Freuden wog
Gott dem Menschengeschlecht; aber der lastende
Kummer senket die Schale,
Immer hebet die andre sich.
Irren, traurigen Tritts wanken wir unsern Weg
Durch das Leben hinab, bis sich die Liebe naht,
Eine Fülle der Freuden
In die steigende Schale geußt.
Wie dem Pilger der Quell silbern entgegenrinnt,
Wie der Regen des Mais über die Blumen träuft,
Naht die Liebe; des Jünglings
Seele zittert und huldigt ihr!
Näm' er Kronen und Gold, mißte der Liebe? Gold
Ist ihm fliegende Spreu, Kronen ein Flittertand,
Alle Hoheit der Erde
Flügelt Stunden an Stunden fort.
Herrscher neideten ihn, kosteten sie des Glücks,
Das dem Liebenden ward, würfen den Königsstab
Aus den Händen und suchten
Sich ein friedliches Hüttendach.
Unter Rosengesträuch spielet ein Quell und mischt
Zum begegnenden Bach Silber; so strömen flugs
Seel' und Seele zusammen,
Wann allmächtige Liebe naht.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Üb immer Treu und Redlichkeit
Üb immer Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab
Dann wirst du wie auf grünen Au´n
Durch´s Pilgerleben geh´n
Dann kannst du sonder Furcht und Grau´n
dem Tod ins Auge seh´n.
Dann wird die Sichel und der Pflug
In deiner Hand so leicht,
Dann singest du beim Wasserkrug,
Als wär dir Wein gereicht.
Dem Bösewicht wird alles schwer,
Er tue was er tu,
Ihm gönnt der Tag nicht Freude mehr,
Die Nacht ihm keine Ruh.
Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
Ihm lacht kein Ährenfeld,
Er ist auf Lug und Trug erpicht,
Und wünscht sich nichts als Geld.
Der Wind im Hain, das Laub im Baum
Saust ihm Entsetzen zu,
Er findet, nach des Lebens Raum
Im Grabe keine Ruh.
Dann muß er in der Geisterstund
aus seinem Grabe gehn
und oft als schwarzer Kettenhund
vor seiner Haustür stehn
Die Spinnerinnen, die, das Rad
im Arm, nach Hause gehn
erzittern wie ein Espenblatt
wenn sie ihn liegen sehn
Und jede Spinnestube spricht
von diesem Abenteuer
und wünscht den toten Bösewicht
ins tiefste Höllenfeuer
Der Amtmann, der die Bauern schund
in Wein und Wollust floß
trabt nachts, mit seinem Hühnerhund
im Wald auf glühendem Roß
Oft geht er auch am Knotenstock
als rauher Brummbär um
und meckert oft als Ziegenbock
im ganzen Dorf herum
Der Pfarrer, der aufs Tanzen schalt
und Filz und Wucherer war
steht nachts als schwarze Spukgestalt
um zwölf Uhr am Altar
Paukt dann mit dumpfigen Geschrei
die Kanzel, daß es gellt
und zählet in der Sakristei
sein Beicht- und Opfergeld
Drum übe Treu und Redlichkeit
Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Finger breit
Von Gottes Wegen ab!
Dann suchen Enkel deine Gruft
Und weinen Tränen drauf,
Und Sonnenblumen, voll von Duft,
Blüh'n aus den Tränen auf.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Mailied
Der Schnee zerrinnt,
Der Mai beginnt,
Die Blüten keimen
Auf Gartenbäumen,
Und Vogelschall
Tönt überall.
Pflückt einen Kranz,
Und haltet Tanz
Auf grünen Auen,
Ihr schönen Frauen,
Wo junge Main
Uns Kühlung streun.
Wer weiß, wie bald
Die Glocke schallt,
Da wir des Maien
Uns nicht mehr freuen:
Wer weiß, wie bald
Sie, leider, schallt.
Drum werdet froh,
Gott will es so,
Der uns dies Leben
Zur Lust gegeben!
Genießt der Zeit,
Die Gott verleiht!
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Quelle: Hölty, L., Gedichte. 17. Februar 1773
Hymnus an den Mond
Freundlich ist deine Stirn', helles Auge der Nacht,
Weiß bekleideter Mond, lächelnd ist deine Wang',
Holder Wolkenbewandler,
Der die silberne Fackel schwingt.
Ruhe hüpfet dir vor. Wie der Pflüger frohlockt,
Wie der Schnitter frohlockt, wenn er hinter dem Hain,
Dich, am Saume des Himmels,
Mit der blinkenden Kerze sieht!
Frölich wandelt er heim, mit der Sichel am Arm,
Singet ein Schnitterlied. Du beflimmerst indeß
Seine blitzende Sichel,
Seinen nickenden Aerntestraus.
Röthlicht ist deine Wang', purpurfarben dein Kleid,
Wenn du, Rosen ums Haar, deine Grotte verläßt,
Und den östlichen Himmel,
Mit der Miene voll Lächeln, besteigst.
Silberfarben dein Kleid, wenn du vom hohen Gewölb'
Deines Himmels, die Stadt und das Dörfchen beschaust,
Das ein nickendes Wäldchen
In die wirthlichen Arme schlingt.
Du bist reizend, o Mond, wenn du, lächelnder Gott,
Durch das blaue Gefild, im Gewande von Licht,
Deine Tritte beflügelst
Und die Säume der Schatten färbst.
Minder reizend, doch schön, wenn du hinter dem Schirm
Regnichter Wolken stehst, und den sinkenden Kranz
Von verfärbten und welken
Blumen um deine Schläfe webst.
Welch ein freundlicher Gott! Wie er sein Fackellicht
Unter die Schatten des Hains und der Gesträuche mengt,
Wie er den silbernen Teppich
Ueber die Scheiteln der Hügel wirft!
Wie er vom Himmel herab sich im Bache besieht,
Manchen goldenen Streif auf die Gewäßer malt,
Manches goldene Sternchen
Auf die hüpfenden Wellen streut!
Welch ein wohlthätiger Gott! Zünde die Fackel an,
Ruft der liebende Hirt, leuchte mich durch den Wald,
Wo mein reizendes Mädchen
Meinen Schritten entgegen lauscht.
Zünde die Fackel an, fleht das Mädchen, o Mond,
Und beglänze den Pfad, wo mein Geliebter irrt;
Und du zündest die Fackel
Hinter dem Kranze von Hügeln an.
Frölicher wandelt er nun durch das krause Gebüsch,
Welches dein Licht verbrämt, durch den dämmernden Hain,
Seinem Mädchen entgegen,
Das beym Lispeln des Baches sitzt.
Immer reizest du mich, freundliches Auge der Nacht,
Wenn du dem Ost entsteigst, und im rothen Gewand
Hinter dem Walde hervorgehst,
Oder im grauenden Westen sinkst.
Immer reizest du mich, wenn du durch das Geweb',
Das der Lindenbaum webt, lächelnde Blicke wirfst,
Oder Edelgesteine
Ueber die blendende Schneeflur streust.
Schon als hüpfender Knab', ehe der Bardenkunst
Funken in mir entglomm, saß ich am Wiesenbach,
Und beschaute dein Antlitz
Mit verschlingenden Wonneblick.
Wie romantisch die Flur meinen Blicken erschien!
Elfen, mit Veilchen bekränzt, tanzeten Reihentanz
Durch die silberbesäumten
Wankenden Schatten des Eichenhains.
Sie bemalten die Flur mit dem heitersten Grün,
Goßen, mit kleiner Hand, Perlen und Silberstaub
In die Locken der Blumen,
Und entfalteten ihre Brust.
Heller blinkte der Mond! Schauer ergriff mein Haar,
Klopfte mit leisem Schlag an mein jugendlich Herz.
Mitternacht sank indeßen
Auf den schlummernden Eichenhain.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Quelle: Hölty, L., Gedichte. Originaltext
Die frühe Liebe
Schon im bunten Knabenkleide
Pflegten hübsche Mägdelein
Meine liebste Augenweide,
Mehr als Pupp' und Ball zu sein.
Ich vergaß der Vogelnester,
Warf mein Steckenpferd ins Gras,
Wenn am Baum bei meiner Schwester
Eine schöne Dirne saß.
Freute mich der muntern Dirne,
Ihres roten Wangenpaars,
Ihres Mundes, ihrer Stirne,
Ihres blonden Lockenhaars.
Blickt auf Busentuch und Mieder,
Hinterwärts gelehnt am Baum;
Streckte dann ins Gras mich nieder,
Dicht an ihres Kleides Saum.
Was ich weiland tat als Knabe,
Werd' ich wahrlich immer tun,
Bis ich werd' im kühlen Grabe
Neben meinen Vätern ruhn.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter
Der Liebende
Beglückt, beglückt,
Wer dich erblickt,
Und deinen Himmel trinket,
Wenn dein Gesicht
Voll Engellicht
Den Gruß des Friedens winket.
Ein süßer Blick,
Ein Wink, ein Nick,
Glänzt mir wie Frühlingssonnen;
Den ganzen Tag
Sinn' ich ihm nach,
Und schweb' in Himmelswonnen.
Dein holdes Bild
Führt mich so mild
An sanfter Blumenkette;
In meinem Arm
Erwacht es warm,
Und geht mit mir zu Bette.
Beglückt, beglückt,
Wer dich erblickt,
Und deinen Himmel trinket,
Wem süßer Blick
Und Wink und Nick
Zum süßen Kusse winket.
Ludwig Hölty (1748 - 1776), Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Lieder-, Hymnen-, Balladen- und Odendichter