614 Zitate und 198 Gedichte von Christian Morgenstern.
Wahrlich eine verderbliche Lehre: es sei die Bestimmung des Weibes, Gattin oder Mutter zu werden. Damit wird das Weib als Mensch, als Individuum völlig ausgeschaltet, als hätte es an sich überhaupt keinen Wert, keinen Sinn, keine Entwickelungsmöglichkeiten, habe überhaupt nur in Beziehung auf Gatten und Kind Existenzberechtigung.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1908
Was ist Religion: Sich in alle Ewigkeit weiter und höher entwickeln wollen.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1908
Geh einfach Gottes Pfad,
laß nichts sonst Führer sein,
so gehst du recht und grad,
und gingst du ganz allein.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, C., Gedichte. Wir fanden einen Pfad. Aus: Sieh nicht, was andre tun
Tolstoi war ein Protest des höheren Menschen wider den Menschen, wie er gemeinhin heute noch ist. Tolstoi wollte nur ganz einfache, simple Dinge. Dinge, die sich eigentlich von selbst verstehen, – für jeden anständigen Menschen.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1909
Ich schreibe der Gegenwart schön gebildeter Gegenstände einen großen Einfluß auf den Menschen zu. So sollten wir die Möbel unserer Kinderzimmer mit außerordentlicher Sorgfalt auswählen. Irgend ein schöner, schlichter, ehrwürdiger Schrank, auf den der Blick unsres Kindes von seinem Lager aus fällt, ja kunstvolle Modelle bedeutender Bauwerke, z.B. eine kleine Nachbildung der Peterskuppel, eines griechischen Tempels, einer modernen Eisenbrücke würden ihm zweifellos eine Ahnung von großem Stil geben, die es sein ganzes Leben hindurch nachspüren und weiterentwickeln würde.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1906
Wir spielen unsere Gedanken gegeneinander aus, in Wirklichkeit unsere Temperamente.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1906
Der Vergeß
Er war voll Bildungshung, indes,
soviel er las
und Wissen aß,
er blieb zugleich ein Unverbeß,
ein Unver, sag ich, als Vergeß;
ein Sieb aus Glas,
ein Netz aus Gras,
ein Vielfreß –
doch kein Haltefraß.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, C., Gedichte. Alle Galgenlieder
O, Glück auszugießen über die Welt! Augen leuchten, Herzen erbeben machen!
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Aphorismen und Sprüche, hg. von Margareta Morgenstern, 1960. In me ipsum, 1901
Ich widerrufe alles Harte und Böse, was ich je in meinen Worten oder Briefen gesagt habe.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1909
Wenn jemand gegen etwas vorgeht, so geht er nicht gegen das ganze Etwas vor: denn das sieht er dann gar nicht mehr. Sondern er sieht dann nur noch das ›rote Tuch‹ in dem Etwas. Nie wird gegen ›etwas‹ vorgegangen, immer nur gegen rotes Tuch. Und wenn zwei Völker gegen einander ziehen, so stürzt ein jedes bloß gegen rotes Tuch: denn wie könnte ein Volk wider ein andres Volk sein, wenn nicht die Helden vom roten Tuch wären, wenn nicht unaufhörlich von hüben und drüben auf rotes Tuch aufmerksam gemacht würde, so daß die Völker, die armen Stiere, zuletzt wild werden und einander anrennen.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1918 (posthum). 1911