20 Gedichte von Jutta Schulte.
Was ich dir wünsche
Ich wünsch dir ein Auge, die Wunder zu sehn
Ein hörendes Ohr, um das Wort zu verstehn
Ich wünsch dir den Mut, deine Meinung zu sagen
Den Vorsatz, zu leiden, ohne zu klagen
Ich wünsch dir den Blick für ein trauriges Herz
Den Wunsch, zu lindern des anderen Schmerz
Ich wünsch dir das Licht, das dein Leben erhellt
Den Freund, der dir folgt bis ans Ende der Welt
Ich wünsch dir Gedanken, die positiv stimmen
Die Ausdauer, gegen den Strom zu schwimmen
Ich wünsch dir den Stolz, deinen Kopf zu erheben
Den Willen, auch anderen Chancen zu geben
Ich wünsch dir die Einsicht, keinen Streit zu entfachen
Die Weisheit, auch über dich selber zu lachen
Ich wünsch dir Geduld, den Schmerz zu begreifen
Festigkeit, nicht an dir selber zu zweifeln
Ich wünsch dir die Größe, dem Feind zu vergeben
Die Kraft, gegen Unrecht die Stimm zu erheben
Ich wünsch dir ein Herz, das für dich allein schlägt
Den Helfer, der gerne die Last für dich trägt
Ich wünsch dir den Mut, zu deinem Worte zu stehn
Die Stärke, auch Streit aus dem Wege zu gehn
Ich wünsch dir die Freude des gütigen Gebens
Die Frage stets nach dem Sinn des Lebens
Ich wünsch dir Erfolg für deine Pläne allzeit
Die Kunst, dich zu freuen für den Rest deiner Zeit
Ich wünsch dir den Engel, der über dich wacht
Die Hand, die dich führt durch das Dunkel der Nacht
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Ich sehe was, was du nicht siehst
Und ich sah den Greis mit schleppendem Gang,
wie er gramgebeugt schlurft die Straße entlang.
Und ich sah, wie er schaut mit leblosem Blick.
Vorbei sind die Träume und Stunden voll Glück.
Und ich sah, er fürchtet das Ende, das naht.
Und er sieht keinen Tunnel, keine Brücke, keinen Pfad.
Er war niemals für den Nächsten ein Freund in der Not.
Nun steht er mit leeren Händen vor seinem Gott.
Doch ich sah auch den Greis mit der Lust am Leben;
bereit, aus der Fülle seiner Weisheit zu geben.
Ich sah ein zerfurchtes Gesicht, doch zwei funkelnde Augen;
erzählend von Liebe, von Hoffnung und Glauben.
Ich sah die Leiden des Alters, doch einen klaren Verstand,
ein Herz voller Liebe, eine helfende Hand.
Wer so gelebt hat, der wird auch verstehn,
am letzten Tag in Frieden zu gehn.
Die Erkenntnis kommt meistens viel zu spät:
"Man erntet im Alter, was man früher gesät!"
Und ich sah das Kind mit dem leeren Blick,
das niemand geliebt und ans Herz gedrückt.
Und ich sah die Wangen, die niemand gestreichelt;
sah die Zuneigung, die man nur geheuchelt.
Und ich sah, wie es sich in sein Schicksal gefügt,
scheinbar nicht würdig, daß man es liebt.
Für seine Bedürfnisse war man taub und blind.
Es war nie gewollt. Es war nur ein Kind.
Doch ich sah auch das Kind mit dem strahlenden Blick;
erhofft und ersehnt, welch unbeschreibliches Glück.
Man lehrte es Stärke, Mut und Vertrauen;
gab ihm Wärme und stärkte sein Selbstvertrauen.
Ich sah die kostbare Zeit, die man im gab.
Man stand ihm stets zur Seite mit Rat und Tat.
Es hat gelernt und es hat gespürt,
dass die Hoffnung immer als letztes stirbt.
Die Erkenntnis kommt meistens viel zu spät
"Die Kinder ernten, was die Eltern gesät!"
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Freu dich
Freu dich der Bäume im Garten.
Zähl nicht die Schnecken am Kohl.
Zähl nicht die Sorgen, die warten.
Freu dich an anderer Wohl.
Zähl nicht die Stunden der Leiden.
Freu dich des Kindes, das lacht.
Zähl nicht vergangene Zeiten.
Freu dich an Schöpfers Macht.
Zähl nicht die Tage der Schmerzen.
Zähl nicht die schwere Fracht.
Freu dich der liebenden Herzen.
Freu dich der Sonne, die lacht.
Zähl nicht die Kinder, die leiden.
Freu dich der Rose, die blüht.
Zähl nicht die Menschen, die neiden.
Freu dich des Kummers, der flieht.
Zähl nicht die hungernden Kinder.
Zähl nicht die Kriege der Welt.
Freu dich am ehrlichen Finder.
Freu dich der Freundschaft, die zählt.
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Warum du?
Es war der traurigste Tag, den die Erde je geboren,
an dem ich dich und all meine Hoffnung verloren.
Ein Tag war nie wieder so grausam und trist,
wie der Tag, an dem du gegangen bist.
Jede Sekunde des Atmens nur Schmerz;
Jeder Gedanke ein Stich in mein Herz;
Jede Träne Erlösung, jedes Empfinden total;
Jeder Zuspruch vergebens, jeder Schritt eine Qual.
Ich werde niemals verstehn und ich frag immerzu:
Warum nicht ich? Warum jetzt? Warum Du?
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
WAS IST LOS?
Der Fragesteller ist ahnungslos.
Das Gerede ist belanglos.
Der Arme ist besitzlos.
Der Hungernde ist brotlos.
Der Hochmütige ist charakterlos.
Der Langweiler ist einfallslos.
Der Unbarmherzige ist erbarmungslos.
Der Obdachlose ist existenzlos.
Der Pessimist ist freudlos.
Der Mutige ist furchtlos.
Die Stille ist geräuschlos.
Der Taktlose ist geschmacklos.
Der Verbrecher ist gesetzlos.
Der Fanatiker ist gewissenlos.
Der Atheist ist gottlos.
Der Betrunkene ist hemmungslos.
Das Lächeln ist kostenlos.
Der Verschwender ist maßlos.
Der Verzweifelte ist mutlos.
Die Gewohnheit ist phantasielos.
Der Großzügige ist selbstlos.
Der Schwache ist wehrlos.
Der Säugling ist zahnlos.
Das Selbstmitleid ist zwecklos.
WAS IST LOS?
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Du kannst es!
Du kannst leiden und doch nicht klagen.
Du kannst die Antwort kennen und doch hinterfragen.
Du kannst schüchtern sein und dennoch offen.
Du kannst verzweifelt sein und dennoch hoffen.
Du kannst erstarrt sein und doch nicht erfrieren.
Du kannst bezweifeln und doch tolerieren.
Du kannst unbekannt sein und doch anerkannt werden.
Du kannst verwundet sein und doch nicht sterben.
Du kannst blind sein und doch erkennen.
Du kannst glühen und doch nicht verbrennen.
Du kannst betrübt sein und dennoch dich freun.
Du kannst gekränkt werden und dennoch verzeihn.
Du kannst schutzlos sein und dennoch beschützen.
Du kannst vieles verlieren und doch alles besitzen.
Du kannst es!
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Das Leben
Das Leben kann wie ein Bach sein,
in dem man mit Steinen einen Damm baut.
Und auf der ganzen Linie ist Stillstand!
Das Leben kann wie ein kalter Winter sein,
der die Landschaft mit Schnee bedeckt.
Und alles erstarrt zu Eis!
Das Leben kann wie ein Kamin sein,
in dem ein Feuer brennt.
Und es bleibt nur Asche zurück!
Das Leben kann aber auch wie ein Regenguss sein,
der das Land fruchtbar macht.
Und im Tal blühen die Bäume!
Das Leben kann auch wie ein Vogel sein,
der am Himmel seine Kreise zieht.
Und er singt die Hymne der Freiheit!
Das Leben kann auch wie das Meer sein,
das Leben spendet.
Und in der Muschel entsteht eine Perle!
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Steh auf, wenn du am Boden liegst
Ich sah in die tiefsten Tiefen und erreichte schwindelnde Höhen.
Ich spürte Ignoranz und jemand schenkte mir Beachtung.
Ich erfuhr Enttäuschung und jemand machte mir Mut.
Ich erfuhr schlimmste Demütigungen und jemand schenkte mir aufrichtiges Lob.
Ich erlitt Verlust und jemand versuchte den Ausgleich.
Ich empfand große Leere und mein Becher wurde gefüllt.
Ich bekam schmerzhafte Verletzungen und jemand versorgte meine Wunden.
Ich vergoß Tränen und jemand schenkte mir ein Lächeln.
Ich lag im Sterben und jemand wünschte mir Leben.
Ich lag am Boden und stand wieder auf!
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Was ich wollte
Ich wollte dich suchen
Du hast dich versteckt
Ich wollte die Heilung
Du hast Wunden geleckt
Ich wollte die Freude
Du gabst mir die Trauer
Ich wollte Offenheit
Du bautest die Mauer
Ich wollte dich hören
Du bliebst stumm
Ich wollte die Antwort
du gabst ein "Warum"
Ich wollte es "Billig"
Du hattest nur "Teuer"
Ich wollte die Wärme
Du gabst mir ein Feuer
Ich wollte "Alles"
Du gabst mir den Rest
Ich wollte Gesundheit
Du brachtest die Pest
Ich wollte die Freiheit
Du gabst mir die Zelle
Ich wollte den Himmel
Du gabst mir die Hölle
Ich wollte den Glauben
Du sätest den Zweifel
Ich wollte zu Gott
Du schicktest den Teufel
Ich sagte, ich möchte
Du sagtest, ich muß
Ich wollte den Anfang
Du wolltest den Schluß
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin
Memories
Zur Welt gebracht
Zum Narren gemacht
Zum Leben bereit
Ein Zuhause auf Zeit
Die Wurzeln erfragt
Die Antwort versagt
Das ´Heute´geliebt
Die Chancen versiebt
Mißrauen gelehrt
Den Schrei überhört
Die Hunde gehetzt
Die Würde verletzt
Die Fehler gehaßt
Die Freude verpaßt
Zum Zweifel geneigt
Die Zukunft vergeigt
Durch Schläge gequält
Den Willen gezähmt
Die Bildung vermißt
Von der Muse geküßt
Der Freude beraubt
An Wunder geglaubt
Die Nächte durchwacht
An Morgen gedacht
Das Gesagte gemeint
Um Verluste geweint
Am Feuer gewärmt
Vom Irrtum entfernt
Das Unrecht verziehn
Vertrauen geliehn
Den Haß besiegt
Das Leben geliebt
© Jutta Schulte (*1961), deutsche Dichterin und Aphoristikerin