90 Zitate und 174 Gedichte von Joachim Ringelnatz.
Bücher werden, wenn man will, lebendig.
Über Bücher kann man ganz befehlen.
Und wer Bücher kauft, der kauft sich Seelen,
Und die Seelen können sich nicht wehren.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Allerdings, 1928. Aus: Der Bücherfreund
Die Kindheit ist keine »Vorbereitungszeit«, sondern besitzt Eigenwert.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Was du erwirbst an Geist und Gut
Erwirb dir viel und gib das meiste fort.
Viel zu behalten, hat den Wert von Sport.
Behalte Dinge, die du innig liebst,
Bis du sie gern an Freunde weitergibst.
Liebe und halte frei dein Eigentum.
Besitz macht ruhelos und bringt nicht Ruhm.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Gedichte dreier Jahre, 1932
Shakespeare
Er sah wie Christus die Welt,
Die er erlebte als Knecht.
Was seine Kunst spielend uns vorgestellt,
Hat ewig recht.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Allerdings, 1928
An Berliner Kinder
Was meint ihr wohl, was eure Eltern treiben,
Wenn ihr schlafen gehen müßt?
Und sie angeblich noch Briefe schreiben.
Ich kann's euch sagen: Da wird geküßt,
Geraucht, getanzt, gesoffen, gefressen,
Da schleichen verdächtige Gäste herbei.
Da wird jede Stufe der Unzucht durchmessen
Bis zur Papagei-Sodomiterei.
Da wird hasardiert um unsagbare Summen.
Da dampft es von Opium und Kokain.
Da wird gepaart, daß die Schädel brummen.
Ach schweigen wir lieber. – Pfui Spinne, Berlin!
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Kinder-Verwirr-Buch, 1931
Kinder, ihr müßt euch mehr zutrauen!
Ihr laßt euch von Erwachsenen belügen
Und schlagen. – Denkt mal: Fünf Kinder genügen,
Um eine Großmama zu verhauen.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Kinder-Verwirr-Buch, 1931
Abschiedsworte an Pellka
Jetzt schlägt deine schlimmste Stunde,
Du Ungleichrunde,
Du Ausgekochte, du Zeitgeschälte,
Du Vielgequälte,
Du Gipfel meines Entzückens.
Jetzt kommt der Moment des Zerdrückens
Mit der Gabel! - - Sei stark!
Ich will auch Butter und Salz und Quark
Oder Kümmel, auch Leberwurst in dich stampfen.
Mußt nicht so ängstlich dampfen.
Ich möchte dich doch noch einmal erfreun.
Soll ich Schnittlauch über dich streun?
Oder ist dir nach Hering zumut?
Du bist ein so rührend junges Blut. –
Deshalb schmeckst du besonders gut.
Wenn das auch egoistisch klingt,
So tröste dich damit, du wundervolle
Pellka, daß du eine Edelknolle
Warst und daß dich ein Kenner verschlingt.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. 103 Gedichte, 1933
Die Badewanne prahlte sehr.
Sie hielt sich für das Mittelmeer
Und ihre eine Seitenwand
Für Helgoländer Küstenland.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Die Schnupftabaksdose. Stumpfsinn in Versen, 1912
Seepferdchen
Als ich noch ein Seepferdchen war,
Im vorigen Leben,
Wie war das wonnig, wunderbar
Unter Wasser zu schweben.
In den träumenden Fluten
Wogte, wie Güte, das Haar
Der zierlichsten aller Seestuten,
Die meine Geliebte war.
Wir senkten uns still oder stiegen,
Tanzten harmonisch um einand,
Ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand,
Wie Wolken sich in Wolken wiegen.
Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn,
Auf daß ich ihr folge, sie hasche,
Und legte mir einmal im Ansichziehn
Eierchen in die Tasche.
Sie blickte traurig und stellte sich froh,
Schnappte nach einem Wasserfloh
Und ringelte sich
An einem Stengelchen fest und sprach so:
Ich Hebe dich!
Du wieherst nicht, du äpfelst nicht,
Du trägst ein farbloses Panzerkleid
Und hast ein bekümmertes altes Gesicht,
Als wüßtest du um kommendes Leid.
Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnaß!
Wann war wohl das?
Und wer bedauert wohl später meine restlichen Knochen?
Es ist beinahe so, daß ich weine –
Lollo hat das vertrocknete, kleine
Schmerzverkrümmte Seepferd zerbrochen.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Allerdings, 1928
Alles Zukunfterraten
Ist wie gemalter Braten.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Verstreut Gedrucktes. Aus: Erkenne deinen Lohn