192 Zitate und 11 Gedichte von Franz Friedrich Kovacs.
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In der scheinbaren Unschuld von Kindern läßt selbst die Natur das Prinzip Hoffnung aufblitzen.
© Franz Friedrich Kovacs (*1949), deutscher Schriftsteller und Lyriker
Zerfall
Mauern fallen
die stolze Villa
von einst
jetzt Abbruchhaus
Glanz ist gewichen
Schönheit zerfallen
die letzten Bewohner
Stadtstreicher
Vagabunden
huschende Schatten
Generationen von Ratten
wurden hier geboren
und die Natur
nimmt zurück
was der Mensch
ihr entriß
der Waldrand kommt näher
bis er Trümmer verdeckt
doch hinter dem Wald
Einheitshöhlen aus Beton
Pflanzen haben Seltensheitswert
kalt und steril
die Retortenstadt
hier hat selbst
die Natur resigniert
© Franz Friedrich Kovacs (*1949), deutscher Schriftsteller und Lyriker
Quelle: Kovacs, Kälteschauer. Gedichte, edition böhner, Bad Salzuflen 1989
Auf dem Weg zum Gräberfeld
Verrostete Panzerketten
giftgrüne Eisenpfähle
Stacheldraht vor Erdlöchern
die verrottete Heldenschar
notdürftig verdeckt
graue Schatten
tauchen auf
das Stahlgewitter beginnt
die Scham
Dunkelheit umhüllt
die Sonne
der Knabe im Schützengraben
stirbt
zum wiederholten Male
den Heldentod
einen schmutzigen Tod
glänzende Metallkörper
torkeln
am Horizont entlang
Angst
in aufgerissenen Augen
mit dem Angesicht
in die schützende Erde
ein markerschütterndes Lachen
von oben
aus der Tiefe
der Himmel zerbricht
Gitter entstehen
breiten sich aus
Ruhe
Erstarrung
pulsierendes Rauschen
erste Laute
Zeichen
danach auch Stimmen
am Rande
dem Abgrund nahe
vergessene Kulturen
verscharrte Götter
ein brennendes
eiskaltes Kreuz
gibt allerletzte Signale
im Strahlentanz
abgehoben
eine Festung aus
Stahl
Türme aus
Kristall
ein rotes Meer
voll Opferblut
tobt
stöhnt
aufrecht stehend
die zerlumpte Gestalt
ein versiegeltes Kästchen
in Händen
die Tränen eines
Neugeborenen
der gebrochene Blick
eines Greises
der Anfang
das Ende
ein altes Buch im Wüstensand
goldglänzend
die Seiten
zu Staub zerfallen
der Wind verteilt
behutsam
die Saat
langsam und mühsam
bewegt sich die
Zeit
Donnergrollen
aus der Ferne
der Marionettenspieler
summt
sein Lied
© Franz Friedrich Kovacs (*1949), deutscher Schriftsteller und Lyriker
Quelle: Kovacs, Schmetterlinge überm Rattennest, Edition Thaleia, St. Ingbert 2000