1 Zitat und 17 Gedichte von Thekla Lingen.
An die Männer
Ich will nicht eure Hose
Und will nicht euren Hut,
Ich trage meine Schleppe,
Sie kleidet mich auch gut.
Ich will nicht eure Ämter
Und will nicht eure Kraft,
Nicht eure Titel und Würden
Noch eure Kriegerschaft.
Ich geb' euch meinen Herd nicht,
Ich wirke und schaffe gern,
Und geb' euch meinen Gott nicht,
Erhabene Schöpfungsherrn.
Auch geb' ich nicht mein Kindlein,
Das ich in Schmerz gebar,
Nicht all' die bangen Sorgen,
Bis groß und stark es war.
Doch gebt mir frei das Leben
Und laßt mich's nahe sehn,
Zwingt mich nicht, scheu und schämig
An ihm vorbeizugehn.
Und gebt mir frei zu wissen,
So viel ich will und kann,
Des Lernens Glück zu kosten
So gut gleich wie ein Mann.
Laßt mich nicht Mensch erst werden
Durch euren Ehering –
In seiner goldenen Fessel
Sich manch ein Leben fing…
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Befreiung
Noch einmal reckt die Schuld ihr drohend Haupt
Und greift nach mir mit gierigen Rächerhänden,
Genug! du hast den Frieden mir geraubt,
Doch meinen Sieg sollst du mir nicht entwenden.
Ich hab gekostet vom Erkenntnisbaum,
Ich habe nackt vor meinem Gott gestanden;
Es sank die Lüge wie ein schwerer Traum,
Die Seele riß sich los aus ihren Banden.
Genug! mich treffen deine Blicke nicht,
Geheilt, vernarbt sind alle alten Wunden
Ich stehe in der Wahrheit reinem Licht,
Ich habe mich und meinen Grund gefunden.
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Ehe
Sie haben sich nichts zu sagen,
Sie sitzen still und stumm
Und hören die Stunden schlagen,
Die Langeweil' geht um.
Die Liebe ist längst gegangen,
Und auch das Glück ist hin,
Und hin ist das Verlangen
Mitsamt dem Jugendsinn.
Mißmut sitzt ihm zur Seite,
Die Sehnsucht sitzt bei ihr,
Und traurig alle beide,
Ach, bis zu Thränen schier.
Keins bricht das tiefe Schweigen,
Kein Laut dringt in den Raum,
Nur schwere Seufzer steigen,
Verstohlen, hörbar kaum.
Und die Gewohnheit leise
Schwingt ihren Zauberstab
Und zwingt in ihre Kreise
Die beiden still hinab.
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Du liebst nicht, du willst nur bethören,
Du willst mich schwach und bebend sehn –
Dann wirst du mir den Rücken kehren
Und wie ein Sieger von mir gehn.
Doch nimmer wird es dir gelingen –
Denn lockst die Sinne du allein
Und kannst die Seele nicht bezwingen,
So werde ich der Sieger sein.
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Friedlos
Wie es mich reizt mit seinen Wonnen,
Wie es mich quält mit seinem Schmerz!
Wie müde, kaum dem Kampf entronnen,
Auf's neue wünscht mein friedlos Herz!
Und könnt' ich bis zum Himmel schweben,
Mich bergen in der Erde Schoß,
Den Frieden kann mir keines geben,
Die Sehnsucht werd' ich nimmer los…
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Schlummerlied
Zur Ruhe, mein Herz, zur Ruh',
Schließ deine Augen zu,
Sind schon so müd' und rot und heiß
Von Thränen, die doch niemand weiß
Als ich, mein Herz, und du –
Schließ deine Augen zu.
Schlafe, mein Herz, schlaf ein –
Siehst du den silbernen Schein,
Siehst du den großen, den stillen Stern?
Er hat die müden Herzen so gern,
Schlafe, mein Herz, schlaf ein
In seinem silbernen Schein.
Stille, mein Herz, sei still,
Hör, was ich singen will –
Ich weiß einen Schatz so wunderschön,
Den wollen wir beide suchen gehn –
Stille, mein Herz, sei still,
Hör, was ich singen will.
Sei nun ganz lieb und brav,
Scheuche nicht unsern Schlaf,
Wird dann zu anderen Herzen gehn,
Läßt uns in unserem Kummer stehn –
Darum sei lieb und brav,
Scheuche nicht unsern Schlaf.
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Toter Wunsch
O wärst du gekommen, da sie dich rief!
Du hättest die Rose gefunden – sie schlief
Und träumte und träumte die ganze Nacht –
O wärst du gekommen – sie wäre erwacht!
Wie wär' ihr so süß, so süß geschehn,
Und mußte im eigenen Duft vergehn,
Und war doch so jung und heiß und rot –
O wärst du gekommen! … Nun ist sie tot …
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Wach auf!
Wehende Winde
Gehn über mich hin,
Wandernde Träume
Kreuzen den Sinn.
Ziehende Sehnsucht
Hemmt den Schritt,
Locket und winket:
Willst du nicht mit?
Wallen und wandern,
Weißt du wie einst?
Bist du so müde,
Liegst du und weinst?
Sonne stieg siegend
Aus Nebel und Nacht,
Fruchtende Erde
Ist froh erwacht.
Leuchtende Segel
Schmücken das Meer,
Schäumende Wellen
Wogen daher,
Raunen und rauschen
Ewigen Sang –
Bist du so müde,
Schläfst du so lang?
Lauschige Lauben
Im Dämmerlicht
Warten und schweigen –
Siehst du sie nicht?
Glühende Rosen
Blühen zum Kranz,
Jubelnde Geigen,
Klingen zum Tanz,
Lachende Lieder
Schlummern im Wein –
Kannst du nicht singen,
Bist du allein?
Alles muß kommen,
Alles muß gehn –
Kannst du's nicht zwingen,
Muß es geschehn!
Siegendes Leben
Geht seinen Lauf,
Einsame Thräne
Hält es nicht auf!
Heb die verweinten
Augen zum Licht –
Lebe dein Leben,
Fürchte es nicht!
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Lebe dein Leben,
Fürchte es nicht!
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin
Müde
Hab so wund gelaufen meine Füße
Auf dem weiten Wege nach dem Glück –
Lachend lief ich aus, um es zu suchen,
Schlich nach Haus mit thränenschwerem Blick.
Sah wohl wunderseltsam lichte Blumen,
Sah sie wohl an meinem Wege stehn,
Habe sie mit raschem Fuß zertreten,
Mußte eilen, mußte weitergehn.
Weitergehn, die eine nur zu finden,
Die in trügerischer Ferne winkt
Und mit ihren buhlerischen Düften
Unser Herz zur Schuld und Sünde zwingt.
Hab so wund gelaufen meine Füße
Auf dem weiten Wege nach dem Glück –
Lachend lief ich aus, um es zu suchen,
Kam so müde, kam so still zurück…
Thekla Lingen (1866 - 1931), deutsche Schauspielerin und Dichterin