5 Zitate und 47 Gedichte von Jörn Pfennig.
Vertrauen
Es ist schön
sagst du
Vertrauen zu haben –
dann hab es doch!
Was ist die Enttäuschung,
von der du nicht weißt,
ob sie passiert –
gegen das Gefühl,
Vertrauen zu haben?
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Kein Wunder ...
Kein Wunder
daß es so vielen Frauen
leichtfällt
dem Werben der Männer
zu widerstehen -
Blumen lieben sanften Regen
nicht
Wasser aus
gebrochenen Dämmen!
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
....
Was für ein Kampf ist es oft
zu beweisen
daß man nicht nur Mann ist
sondern auch Mensch!
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Pamphlet
Manchmal hasse ich euch
Geschlechtsgenossen
wenn ich sehe
welch tiefe Kerben
ihr gehauen habt
in die Seelen der Mädchen
die keine Erziehung schützt.
Was für ein Kampf ist es oft
zu beweisen
daß man nicht nur Mann ist
sondern auch Mensch!
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Komm wieder her
Ich sah wieder Schwalben ziehn
hastig vor der Kälte fliehn
die Astern blühten zweimal schon
auch der Flieder und der Mohn –
komm wieder her
ich lieb dich sehr!
Ich habs Hoffen nicht verlernt
hab mich nicht von dir entfernt
du bist gegangen ohne Zorn
du hattest nur den Mut verlor'n –
komm wieder her
ich lieb dich sehr!
Irgendwann wirst du wieder da sein
dann stehst du einfach in der Tür
du wirst mein Gesicht in deine Hände nehmen
und wenn wir uns ansehen, werden wir
sprachlos sein.
Ich habe Menschen weinen sehn
sonst ist nicht sehr viel geschehn:
viel erwartet, viel versprochen
ein paar Ehen sind zerbrochen –
komm wieder her
ich lieb dich sehr!
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Dein Herbst
Du bist im Rascheln des Laubs, das meine Füße streifen
auf den Wegen der herbstlich leeren Allee
für dich perlt der Tau von den blassen Gräsern
der Wiesen, über die ich ziellos geh . . .
Dir gilt das ferne Lachen der Kinder
deren Drachen weit oben gleiten im Wind
du bist in der Grazie der Schwäne auf dem See
von denen sich das Wasser ein Spiegelbild nimmt . . .
Für dich teilt sich noch einmal der Nebel
die Sonne steht da, so hartnäckig schön
der Wind, der mich leise, fast zärtlich berührt
scheinst du mich dir entgegenzuwehn . . .
Ich weich nicht aus vor den niedrigen Zweigen
so spür ich das Streichen deiner Hand durch mein Haar
meine Gedanken an dich – das macht wohl der Herbst –
verfärben sich traurig so sonderbar . . .
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Astern
Ich würde dir gerne Astern schenken
als Symbol deiner Herbstlichkeit
der Kühle, der Schönheit, der möglichen Wärme
der Härte und Zärtlichkeit.
Ich werd dir die Astern nicht schenken
weil mir der Gedanke das Herze bricht
daß du ihnen alle Blätter ausreißt
beim »Soll ich oder soll ich nicht ...?«
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Kein Stück von dir
Wie lange soll das noch so gehn
wann wirst du endlich mal verstehn:
ich gehöre nicht zu dir wie der Schaum zum Bier
ich gehöre nicht zu dir wie die Tasten zum Klavier –
zuallererst gehöre ich mir!
Hör zu, mein Lieber, glaube mir:
ich bin nicht nur ein Stück von dir!
Ich gehöre nicht zu dir wie der Ast zum Baum
ich gehöre nicht zu dir wie die Maske zum Clown –
zuallererst gehöre ich mir!
Noch sind wir zu zweit
noch ist etwas Zeit
paß auf mein Freund!
Die Liebe ist zerbrechlich
und nicht bestechlich
paß auf mein Freund!
Nur wenn man sich auch selber liebt
hat die Liebe einen Sinn –
und wie soll ich mich selber lieben
wenn ich nur ein Stück von dir bin?
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Da erst
Sie war ganz hübsch
sie sprach nicht viel
sie kam mit ihm
ohne lang zu zögern.
Sie ging, als er nicht wollte
daß sie geht –
da glaubte er sie zu lieben.
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979
Menschenskind, sie ist nicht mehr
einfach nicht mehr da
hat ausgelebt, ausgeweint
ausgeliebt, sich ausgefreut
hat ausgelitten, ausgehofft
ausgeatmet, ausgeschrien
ausgefühlt, ausgelacht
hat aufgehört, schlußgemacht
die Kurve nicht gekriegt -–
sie nannte sich Napoleon
und hat doch nie gesiegt.
© Jörn Pfennig (*1944), deutscher Dichter und Lyriker
Quelle: Pfennig, Grundlos zärtlich. Gedichte, 1979