14561 Gedichte.
Gleichnis
Es ist ein Brunnen, der heißt Leid;
draus fließt die lautre Seligkeit.
Doch wer nur in den Brunnen schaut,
den graut.
Er sieht im tiefen Wasserschacht
sein lichtes Bild umrahmt von Nacht.
O trinke! da zerrinnt dein Bild:
Licht quillt.
Richard Dehmel (1863 - 1920), Richard Fedor Leopold Dehmel, dt. Dichter, Lyriker, Dramatiker und Kinderbuchautor
Quelle: Dehmel, R., Gedichte. Schöne wilde Welt. Neue Gedichte und Sprüche, 1913
Seit ich dich das erste Mal traf,
bist du König auf dem Thron meines Herzens.
Du hast dein Reich mehr und mehr ausgebreitet
und andere Anwärter in die Flucht geschlagen.
Du bist Herrscher über mein Herz, meine Gedanken und Träume.
Deine Macht ist so groß und stark,
wie könnte ich dich jemals nicht lieben?
Auch wenn der Thron deines Herzens so schwer zu besteigen ist
wie der Schicksalsberg und mir deine Tore verschlossen bleiben,
so bin ich dazu geboren, dein treuer Untertan zu sein.
Liebe kennt keine Grenzen –
irgendwann bringe ich sie auch in dein Herz,
wenn du keine Angst mehr davor hast,
selbst erobert zu werden.
© Ivonne Artelt (*1975), Informatikkauffrau und Idealistin (Triple "I") aus Dortmund
Wir waren verliebt, haben einander
vertraut – wurden getraut
und haben uns die Ehe versprochen.
Mein Blick zurück sagt mir:
Ich habe mich verliebt
und habe dem Falschen vertraut,
somit habe ich mich real ver-sprochen.
Mein Blick nach vorn zeigt mir:
Ich möchte mich neu verlieben.
Ob ich mich noch mal traue,
zu vertrauen, um mich zu trauen,
möchte ich heute noch nicht versprechen.
© Anette Börder (*1963), Agenturberaterin und Richterin im Reitsport
Unsere Hochzeitsfotos
wurden in Farbe und auf
Hochglanzpapier entwickelt.
Das anschließende Leben
entwickelte sich in vielen Graustufen
nicht immer glanzvoll
schwarz-weiß.
Für Glanz im Leben
muß man wohl selber sorgen!
© Anette Börder (*1963), Agenturberaterin und Richterin im Reitsport
Jeder ist eine Kerze,
angesteckt bei der Geburt.
Nur zu viele
haben sich
ausblasen lassen
von den Winden
der Regeln und Normen,
der Vorschiften und Moral
Sie brennen nicht mehr.
© Kristiane Allert-Wybranietz (1955 - 2017), deutsche Dichterin und Lyrikerin
Quelle: Allert-Wybranietz, Trotz Alledem, lucy körner Verlag 1980
Ich bin's gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen,
Mein Sinn ist auch ein bißchen starr und zähe;
Wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe,
Ich würde nicht die Augen niederschlagen.
Doch, liebe Mutter, offen will ich's sagen:
Wie mächtig auch mein stolzer Mut sich blähe,
In deiner selig süßen, trauten Nähe
Ergreift mich oft ein demutvolles Zagen.
Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget,
Dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet,
Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget?
Quält mich Erinnerung, daß ich verübet
So manche Tat, die dir das Herz betrübet?
Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet?
Heinrich Heine (1797 - 1856), Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons
Quelle: Heine, H., Gedichte. Buch der Lieder. Junge Leiden. Sonette. An meine Mutter B. Heine, 1.
Der verlorene Sohn
Mutter, aus der Fremde kehre
elend ich zu dir zurück.
Hab verloren Herz und Ehre
und verloren Gold und Glück.
Ach, als ich an deinen Händen
noch durch Blust und Sommer lief!
Rosen blühten allerenden,
und der braune Kuckuck rief.
Himmel wehte als ein Schleier
um dein liebes Angesicht,
Schwäne glänzten auf dem Weiher,
und die Nacht selbst war voll Licht.
Deine Güte Sterne säte,
und beruhigt schlief ich ein.
Mutter, Mutter, bete, bete!
Laß dein Kind mich wieder sein.
Klabund (1890 - 1928), eigentlich Alfred Henschke, deutscher Schriftsteller, Übersetzer ostasiatischer Dichtkunst, Lyriker, Dramatiker und Komödienschreiber
An die Mutter
Kennst, teure Mutter, du die schöne Fabel,
wie stets der Sonnengott zur Mutter fliegt,
die jede Nacht in ihrem welken Schoße
den wegemüden Sohn in Schlummer wiegt?
Muß er doch tagelang die Welt durchirren,
hat doch der Arme längst der Fahrt genug
durch graue Nebel, Wetter, düstre Wolken,
ach, fast so viel als je ein Mensch ertrug.
Er legt als Greis sich und ersteht als Jüngling
und strahlt mit neuer Kraft durchs Morgenrot –
O Mutter, Mutter, voller Engelsgüte, –
ich hab' es so wie diese Sonne not!
Jan Neruda (1834 - 1891), tschechischer Schriftsteller, Journalist, richtungweisender Feuilletonist und bedeutender Lyriker
Denk an das Aug', das überwacht
Noch eine Freude dir bereitet,
Denk an die Hand, die manche Nacht
Dein Schmerzenslager dir gebreitet,
Des Herzens denk, das einzig wund
Und einzig selig deinetwegen,
Und dann knie nieder auf den Grund
Und fleh um deiner Mutter Segen!‹
Annette von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), eigentlich Anna Elisabeth Freiin von Droste zu Hülshoff, deutsche Dichterin
Quelle: Droste-Hülshoff, Gedichte. Aus: Mein Beruf
Der Fußball ist eine Philosophie für sich!
Der Torwart ist eine Philosophie für sich!
Der Elfmeter ist eine Philosophie für sich!
Die FIFA ist eine Philosophie für sich!
Der Trainer ist eine Philosophie für sich!
Die Zuschauer sind eine Philosophie für sich!
Der Ball ist eine Philosophie für sich!
Jeder Reporter ist eine Philosophie für sich!
Günter Netzer ist eine Philosophie für sich!
Nur Bayern, Bayern scheint eine Religion zu sein!
© Martin Gerhard Reisenberg (*1949), Diplom-Bibliothekar und Autor