14521 Gedichte.
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Sommers Tod
Die Tage werden kälter,
Gemäht sind Korn und Gras,
Schon färben sich die Wälder,
Der Himmel graut wie Glas.
Vom Wiesengrunde steigen
Die Nebelgeister auf,
Und der verirrte Wandrer
Beschleunigt seinen Lauf.
Im Abendrot entschwindet
Der letzte Vogelzug,
Und Totenstille legt sich
Aufs Land wie Grabestuch.
Ein Käuzchen ruft im Dämmer
Die Ahnen zum Geleit,
Und wieder zieht ein Sommer
Still in die Ewigkeit.
© Hans Munch (*1958), deutscher Lyriker
Die Zeit
Die Zeit bringt stets Veränderung,
nichts bleibt so wie es ist.
Heut' strotzt du frisch und jugendlich,
schnell ist dies fortgewischt.
Im Lauf der Jahre lerntest du,
was nützlich für dich ist,
du eignetest dir Wissen an,
und weißt, was nötig ist.
So manches nahmst du dankbar an,
was Eltern dir bewahrten.
Manch Nachbar denkt im Stillen sich,
du bist recht gut geraten.
Die Zeit, sie formte dich ein Stück,
nicht immer war dies leicht,
doch mit Geduld und mit Geschick
hast vieles du erreicht.
So denkst du manches Mal zurück
an deine Kindertage,
dann merkst du, wenn du ehrlich bist,
sie waren nicht nur Plage.
Ja, was dein Elternhaus dir gab,
an Wissen und an Glauben,
das kann in deinem Leben dir
kein anderer mehr rauben.
In deinem Herzen schließ es ein,
es wird dein größtes Erbe sein.
© Christina Telker
(*1949), Kindergärtnerin, Hobbyautorin
Meint es das Schicksal mit dir gut,
sei achtsam und besonnen.
Hüte dich vor Übermut:
Das Glück ist schnell zerronnen.
© Wolfgang Lörzer (*1950), deutscher Pädagoge und Autor
In der Umarmung des Sommers
lebt es sich milder.
Die Hitze verlangsamt
die Gedanken.
Sie trotten dahin.
© Raimund Schöll (*1963), Soziologe, Coach, Autor und Aphoristiker
Stilles Glück anno 1888
Dein zarter Alabasterleib
Liegt in der Sommersonne.
Du bist ein höllisch schönes Weib,
Erfüllst mein Herz mit Wonne.
Dein weißer Teint, dein rotes Haar,
Sie fesseln meinen Blick.
Dein Liebreiz winkt so wunderbar,
Verheißt mir stilles Glück.
Im Leben ist so manches rund
Und macht uns rundum glücklich.
Ich nenn' es nicht aus gutem Grund:
Das wäre ja nicht schicklich.
© Wolfgang Lörzer (*1950), deutscher Pädagoge und Autor
Mensch werden
kleine Füsse
erfassen
die Erde
streben
nach
Gleichgewicht
kleine Füsse
suchen sich
Schritt
für Schritt
den Weg
ins Leben
© Anke Maggauer-Kirsche (*1948), deutsche Lyrikerin, Aphoristikerin und ehemalige Betagtenbetreuerin in der Schweiz
Überall ist Leben
Das Brot verkrümelt sich im Haus,
die Matte fühlt sich matt.
Der Beutel sieht gebeutelt aus.
Er hat sein Dasein satt.
Die Dose döst dumpf vor sich hin.
Sie fühlt sich schrecklich leer.
Sie sieht im Leben keinen Sinn.
Sie kann und mag nicht mehr.
Die Schere schert das einen Dreck.
Sie will, was sie nicht darf.
Liegt lüstern lauernd im Versteck
und ist aufs Tischtuch scharf.
Die Kuckucksuhr beginnt zu schrein.
Sie findet kein Gehör.
Der Teppich schaut betreten drein
und fürchtet ein Malheur.
Da, plözlich tritt die Hausfrau ein
und macht es sich bequem.
Im Haus herrscht eitel Sonnenschein.
Wie ist die Welt so schön.
© Wolfgang Lörzer (*1950), deutscher Pädagoge und Autor
Staunen
wenn du etwas siehst,
das dein Herz nicht begreift,
aber deine Seele ahnt
© Anke Maggauer-Kirsche (*1948), deutsche Lyrikerin, Aphoristikerin und ehemalige Betagtenbetreuerin in der Schweiz
Ich stell mir vor, ganz ohne Not
das Leben startet ungehemmt
nicht mit Geburt sondern dem Tod,
ganz anders also als man's kennt.
Jahrhunderte lag man im Grab,
so cirka sechs Fuß in der Erd‘,
wurde vom Staub zur Leich', die starb.
Und weil es jetzt läuft umgekehrt,
gräbt man den Sarg behutsam aus,
entnimmt ihm die besagte Leich'
bringt sie hernach zum Krankenhaus,
wo man sie ablegt warm und weich.
Der Mensch belebt sich selbst sodann,
beendet auch schnell Leid und Qual.
Das Altenheim steht nunmehr an.
darum verlässt er das Spital.
Nach Wochen im Seniorenheim
wird er gesünder, hoch betagt.
Er wird bald Juniorgreis dort sein.
denn er lebt rückwärts, wie gesagt.
Und schon ist er für‘s Heim zu jung,
zieht nunmehr in sein eignes Haus.
Mit Golduhr und Belobigung
zeichnet, betrieblich, man ihn aus.
Er wird geehrt für dreißig Jahr
die er nun bis zum Studium
sich aufreibt und Ihm wird's gewahr:
Bald geht’s ans Abiturium.
Die Jugend, glücklich , folgt hernach,
er nippt am ersten Alkohol,
schaut dann den süßen Mädels nach,
ahnt nicht, was das noch werden soll.
Danach steht's Grundschulalter an.
Und um ihn etwas zu erheitern,
erhält am ersten Schultag dann
er furchtbar viele Süßigkeiten.
Die Zeit als Kleinkind folgt, im Sand,
an dessen Start wird er geborn.
Inzwischen ist es ja bekannt:
Dieses Mal rückwärts, nicht von vorn.
Den Mutterleib füllt er gut aus,
verjüngt sich weiter, bis zum Schluss
und löst sich schliesslich vollends auf
als z'rück er zum Erzeuger muss.
Und die Moral von dem Gedicht?
Ich weiss sie, ehrlich, selber nicht.
© Horst Fleitmann (*1951), Verlagskaufmann und Autor