14562 Gedichte.
Mutterns Hände
Hast uns Stulln jeschnitten
un Kaffe jekocht
un de Töppe rübajeschohm –
un jewischt und jenäht
un jemacht und jedreht ...
alles mit deine Hände.
Hast de Milch zujedeckt,
uns Bobongs zujesteckt
un Zeitungen ausjetragen –
hast die Hemden jezählt
und Kartoffeln jeschält ...
alles mit deine Hände.
Hast uns manches Mal
bei jroßen Schkandal
auch 'n Katzenkopp jejeben.
Hast uns hochjebracht.
Wir wahn Sticker acht,
sechse sind noch am Leben ...
Alles mit deine Hände.
Heiß warn se un kalt.
Nu sind se alt.
Nu bist du bald am Ende.
Da stehn wa nu hier,
und denn komm wir bei dir
und streicheln deine Hände.
Kurt Tucholsky (1890 - 1935 (Freitod)), Pseudonyme: Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel; dt. Schriftsteller, Journalist, Literatur- und Theaterkritiker der Zeitschrift "Die Schaubühne" (später umbenannt in "Die Weltbühne"), zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik
Quelle: Tucholsky, Werke 1907-1935. In: Arbeiter Illustrierte Zeitung, 1929, Nr. 30 (Kurt Tucholsky),
wieder in: Lerne lachen ohne zu weinen, 1931 und Deutschland, Deutschland über Alles. Ein Bilderbuch, 1929
In so manchen Nächten
da liebte ich
dich
verzweifelt
frei
aber
einsam
© Norbert Esser Ulmenstr. 7, 51069 Köln
Quelle: Esser, Am Ende des Regenbogens, Selbstverlag 1982
Ihre Augen waren eigentlich
nicht so groß
nicht so braun
nicht so frech -
aber tief genug
mich darin
ertrinken zu lassen
© Norbert Esser Ulmenstr. 7, 51069 Köln
Quelle: Esser, Am Ende des Regenbogens, Selbstverlag 1982
Auf die Frage:
"Du bist so bedrückt -
Hast du etwas?"
würde ich lachend antworten:
"Nein, ich habe nichts."
und spräche die Wahrheit
© Norbert Esser Ulmenstr. 7, 51069 Köln
Quelle: Esser, Am Ende des Regenbogens, Selbstverlag 1982
Unterwegs
Unterwegs
in Sachen
warmer Haut
Unterwegs
© Norbert Esser Ulmenstr. 7, 51069 Köln
Quelle: Esser, Unterwegs in Sachen warmer Haut, 1981
Ich sehne mich
nach Beziehungen
die mir all die Freiheit gewähren
die ich brauche
um aus mir auszubrechen
– aus dem Käfig der Norm –
um meinen Ideen – meinem Leben
freien Lauf zu
lassen
Ich sehne mich ...
© Norbert Esser Ulmenstr. 7, 51069 Köln
Quelle: Esser, Unterwegs in Sachen warmer Haut, 1981
Freiheit
Viele meinen,
frei zu sein –
frei.
Weil sie sich nie
über die Kreise
hinausbewegten,
an denen ihre Ketten
anspannen.
© Kristiane Allert-Wybranietz (1955 - 2017), deutsche Dichterin und Lyrikerin
Quelle: Allert-Wybranietz, Trotz Alledem, lucy körner Verlag 1980
Die Blätter fallen.
Bald sind die Straßen gestreut
dann fällt kein Blatt mehr
© Erhard Horst Bellermann (*1937), deutscher Bauingenieur, Dichter und Aphoristiker
Quelle: Bellermann, Gedankenreich, Engelsdorfer Verlag 2004
Bäche sind gesund
Sie gurgeln mit Quellwasser
und pflegen den Lauf
© Erhard Horst Bellermann (*1937), deutscher Bauingenieur, Dichter und Aphoristiker
Quelle: Bellermann, Gedankenreich, Engelsdorfer Verlag 2004
Jeder möge so verkünden,
Was ihm heute wohlgelang!
Das ist erst das rechte Zünden,
Daß entbrenne der Gesang.
Keinen Druckser hier zu leiden
Sei ein ewiges Mandat!
Nur die Lumpe sind bescheiden,
Brave freuen sich der Tat.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung
Quelle: Goethe, J. W., Gedichte. Ausgabe letzter Hand, 1827. Gesellige Lieder. Aus: Rechenschaft, Meister