8 Zitate und 23 Gedichte über Abend, Abendrot.
Oh weiter, weiter Abend. Da verglühen die langen Hügel an dem Horizont, wie klarer Träume Landschaft bunt gesonnt.
Georg Heym (1887 - 1912), deutscher Lyriker und Expressionist mit pessimistischen Visionen
Quelle: Heym, Dichtungen und Schriften. Gesamtausgabe hg. von Karl Ludwig Schneider, Band 1, Lyrik, Verlag Heinrich Ellermann 1964. Band 1, Lyrik
In der abendlichen Sonne
In der abendlichen Sonne
sitzen wir gebeugten Rückens
auf den Bänken in dem Grünen.
Unsere Arme hängen nieder,
unsere Augen blinzeln traurig.
Und die Menschen gehn in Kleidern
schwankend auf dem Kies spazieren
unter diesem großen Himmel,
der von Hügeln in der Ferne
sich zu fernen Hügeln breitet.
Franz Kafka (1883 - 1924), deutschsprachiger Schriftsteller, in Prag geboren als Sohn einer bürgerlichen jüdischen Kaufmannsfamilie
Quelle: Kafka, F., Briefe. An Hedwig Weiler, 29. August 1907
Es gibt Leute, die warten auf die Abenddämmerung, weil dies die einzige Zeit ist, wo ihnen was dämmert.
© Willy Meurer (1934 - 2018), deutsch-kanadischer Kaufmann, Aphoristiker und Publizist, M.H.R. (Member of the Human Race), Toronto
Ende des Tages.
In bleiernen Lichtes Weben
Tanzt und windet ohne Grund
Sich schamlos lärmend das Leben,
Drum sobald der Erde Rund
Von seligem Dunkel erfrischt ist,
Wann alles, der Hunger selbst, ruht,
Wann alles, die Schmach selbst, verwischt ist,
Seufzt der Dichter: Nun ist's gut!
Meine Glieder wie meine Gefühle
Erflehen die Ruhe sich,
In finsterem Traumgewühle
Will ausgestreckt liegen ich,
Und dein Vorhang umhülle mich,
Erquickende, nächtige Kühle.
Charles Baudelaire (1821 - 1867), französischer Dichter und Ästhetiker
Fluß im Abend
Der Abend
läuft den lauen Fluß hinunter,
Gewittersonne übersprengt
die Ufersenkung bunter.
Es hat geregnet.
Alle Blätter dampfen Feuchte.
Die Weidenwildnis streckt mit hellen Tümpeln
sich ins witternde Geleuchte.
Weiße Nebel
sich ins Abendglänzen schwingen.
Unterm seichten Fließen dumpf und schrill
die mitgezognen Kiesel klingen.
Die Pappeln stehn im Licht, traumgroße Kerzen
dick mit gelbem Honigseim beträuft –
Mir ist, als ob mein tiefstes Glück durch grüne Ufer
in den brennenden Gewitterabend läuft.
Ernst Stadler (1883 - 1914 (gefallen)), Ernst Maria Richard Stadler, deutscher Schriftsteller, Wegbereiter expressionistischer Lyrik und Übersetzer u.a. französischer Literatur
Quelle: Stadler, E., Gedichte. Der Aufbruch, Erstdruck 1914. Die Rast
Der Teich
Der stille Teich von dunklem Schilf umflüstert
und alten überwachsnen Stämmen die seltsam rauschen
erglüht im sinkenden Abend. Leise flirrt
sein tiefer brauner Kelch im Nachtwind und umspült
der schlanken Gondel goldgezierten Bug
die schwer mit Tang und trüber Flut gefüllt
auf weichen Ufermoosen schaukelt wo
der schmale Kiesweg grün umwuchert
in fernes Dunkel taucht. Verschlafen gleiten
im Wellenrieseln weiße Wasserrosen
an dünnen schwanken Stengeln hin und strahlen
in blassem Feuer groß aus braunen Schatten die
von breiten Buchenkronen sinken und
der satte Abendhimmel überströmt
von Purpurwolken flimmert durchs Gewirr
der Äste schwer und brennend wie ein Schacht
mit funkelnden Juwelen übersät.
Ernst Stadler (1883 - 1914 (gefallen)), Ernst Maria Richard Stadler, deutscher Schriftsteller, Wegbereiter expressionistischer Lyrik und Übersetzer u.a. französischer Literatur
Quelle: Stadler, E., Gedichte. Praeludien, Erstdruck 1905. Bilder und Gestalten
Dämmerung in der Stadt
Der Abend spricht mit lindem
Schmeichelwort die Gassen
In Schlummer und der Süße
alter Wiegenlieder,
Die Dämmerung hat breit
mit hüllendem Gefieder
Ein Riesenvogel sich
auf blaue Firste hingelassen.
Nun hat das Dunkel von den Fenstern
allen Glanz gerissen,
Die eben noch beströmt
wie veilchenfarbne Spiegel standen,
Die Häuser sind im Grau,
durch das die ersten Lichter branden
Wie Rümpfe großer Schiffe,
die im Meer die Nachtsignale hissen.
In späten Himmel tauchen Türme
zart und ohne Schwere,
Die Ufer hütend,
die im Schoß der kühlen Schatten schlafen,
Nun schwimmt die Nacht
auf dunkel starrender Galeere
Mit schwarzem Segel
lautlos in den lichtgepflügten Hafen.
Ernst Stadler (1883 - 1914 (gefallen)), Ernst Maria Richard Stadler, deutscher Schriftsteller, Wegbereiter expressionistischer Lyrik und Übersetzer u.a. französischer Literatur
Quelle: Stadler, E., Gedichte. Verstreute Gedichte aus den Jahren 1910 bis 1914
Untergang
Die kupferrote Sonne im Versinken
Hängt zwischen Höhlen scharf gezackter Zweige
In harter Glut der strahlenlosen Neige,
Die feuchte Luft scheint allen Glanz zu trinken.
Die grauen Wolken, aufgeschwellt von Regen,
Mit langen Schleppen, die am Boden schleifen,
Und lau umströmt von schwachen Lilastreifen,
Ergießen dünnes Licht auf allen Wegen.
Nur in der Bäume enggedrängten Gruppen,
Die steil wie Inseln aus den grünen Matten
Des Parkes steigen, lagern dichtre Schatten,
Hinsinkend von den braunen Hügelkuppen.
Ernst Stadler (1883 - 1914 (gefallen)), Ernst Maria Richard Stadler, deutscher Schriftsteller, Wegbereiter expressionistischer Lyrik und Übersetzer u.a. französischer Literatur
Quelle: Stadler, E., Gedichte. Verstreute Gedichte aus den Jahren 1910 bis 1914
Die Stadt verklingt
Woher die feinen Töne schweben
Wie weit verwehter Düfte Schwaden?
Sie sind vom weiten Weg beladen
Mit Mörtelmehl und Spinneweben.
Verstaubtem Öl in Schlüssellöchern
Und stickluftdunkler Korridore,
Mit Säuren, Weines rotem Flore,
Mit Anklang, eisern, hölzern, knöchern.
Und während sie dich schwer erheben,
Kommt schon der Mond mit großem Rade,
Und unter dir klingt als Ballade
Die Stadt, der Abend und dein Leben.
Oskar Loerke (1884 - 1941), deutscher Dichter des Expressionismus; zusammen mit Hermann Essig Kleistpreis 1913
Quelle: Loerke, O., Gedichte