15 Zitate und 7 Gedichte über Ahnung.
Ahnungen sind Regungen, die Flügel des Geistes höher zu heben.
Bettina von Arnim (1785 - 1859), deutsche Schriftstellerin, geborene Elisabeth Catharina Ludovica Magdalena Brentano, auch Bettine, Schwester des Philosophen Clemens Brentano
In allen Zeiten hat eine Ahnung des Vergangenen und Zukünftigen über uns Menschen geschwebt. Ein Gefühl kommenden Glücks oder Unheils hat unsere Schritte vorsichtiger oder leichter gemacht.
Herman Grimm (1828 - 1901), Herman Friedrich Grimm, deutscher Schriftsteller und Kunsthistoriker
Nur Leute, die mit den Rätseln unseres Daseins kurzweg damit sich abfinden, daß sie die ausgegebenen Stich- und Modewörter gedankenlos nachplappern, vermögen sich selbst oder anderen vorzuschwindeln, es sei unwahr, daß in jedem gesund organisierten Menschen in einer, je nach seiner Bildungsstufe gemodelten Form die Ahnung vom Überirdischen leben.
Johannes Scherr (1817 - 1886), schweiz. Schriftsteller und Literaturhistoriker, Politiker, als demokratischer Abgeordneter in die württembergische Kammer gewählt, musste 1849 in die Schweiz fliehen
Wenn ich meine Gedanken zu Ende denke, so muß ich sagen, daß die zehn kommenden Jahre entweder den Frieden organisieren oder die Nationen Europas an den Rand des allerschrecklichsten Krieges führen müssen. Diesen Termin sollte kein Staatsmann aus den Augen verlieren, der nicht ein Verbrecher ist.
Paul Painlevé (1863 - 1933), französischer Mathematiker und Politiker, war zweimal Premierminister der Dritten Französischen Republik
Rolands Horn
Der König Karl beim Jubelmahl,
hoch schwang in der Hand er den goldnen Pokal:
"Lang lebe der Sieger, der heut noch fern,
Roland, mein Roland, der Streiter des Herrn!"
Da – bei der Becher Zusammenstoß,
wie Schatten sich's über die Wände goß
und als das jauchzende Hoch verscholl,
ein Dämmern über die Erde schwoll,
und weit, weit her es traurig hallt'
hinklagend über See und Wald…
Und als sie drängten zur Tür mit Macht,
da wuchs das Dunkel zur finstern Nacht,
und angstvoll durch die Luft herbei
rang sich's wie wilder Todesschrei…
Und als sie sich wandten entsetzt zum Thron,
da stöhnte zum drittenmal her ein Ton,
da zittert' es über Wald und See
wie aus verröchelnder Brust ein Weh…
Doch als der König sich bleich erhob,
blaß wieder ein Dämmern die Halle durchwob.
Und als er rief: "Verrat! Zu Roß!"
Weiß wieder der Tag die Halle durchfloß.
Wohl jagten sie windschnell querfeldein,
rastlos bei Sonnen- und Sternenschein
hin bis zum Morgen nach Ronceval –
da kreischten die Krähen schon über dem Tal,
da lagen die Helden, die Wunden vorn,
und stumm er, Roland, zerborsten sein Horn.
Ferdinand Avenarius (1856 - 1923), Ferdinand Ernst Albert Avenarius, deutscher freier Schriftsteller und Herausgeber der Zeitschrift »Der Kunstwart« und »Dürerbund«, Stiefneffe Richard Wagners
Jetzt gehn die Lüfte manchesmal als trügen
sie unsichtbar ein Schweres welches schwankt.
Wir aber müssen uns mit dem begnügen
was sichtbar ist. So sehr es uns verlangt
hinauszugreifen über Tag und Dasein
in jenes Wehen voller Wiederkehr.
Wie kann ein Fernes so unendlich nah sein
und doch nicht näher kommen? Nicht bis her?
Das war schon einmal so. Nur damals war
es nicht ein zögerndes im Wind gelöstes
Vorfrühlingsglück. Vielleicht kann Allergrößtes
nicht näher bei uns sein, so wächst das Jahr.
So wächst die Seele, wenn die Jahreszeit
der Seele steigt. Das alles sind nicht wir.
Von Fernem hingerissen sind wir hier
und auferzogen und zerstört von weit.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, österreichischer Erzähler und Lyriker; gilt als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne
Ich ahne im Flüstern und Weinen
Die Form von vergangenen Gesichtern,
Doch in musizierenden Lichtern
Will Morgen der Liebe erscheinen!
Und Seele und Herz wieder schwärmen
Ganz hellsichtig, hellhörig innen,
Der Sang aller Lichtviolinen
Steigt scheu durchs erwachende Lärmen.
Todeseinsamkeit, Liebeslust, Gaukel
Mit Stunden, bald alten, bald jungen,
Bang hin und froh her geschwungen!
O sterben, o, in dieser Schaukel!
Paul Verlaine (1844 - 1896), französischer Lyriker, hatte enge Verbindung zum Bohème-Milieu, vagabundierte mit A. Rimbaud 1871-73 durch Nordfrankreich, England und Belgien
Quelle: Verlaine, Parallèlemement, Erstdruck der Sammlung: Paris, L. Vanier 1889, übers. v. Wolf Graf v. Kalckreuth
Durch Wipfel, die, wie Schatten von Gedanken,
Stumm und nebelhaft
Am wasserhellen Himmel graun,
Von Sternensaat
Wie von demantner Prismen Strahlenbruch
Durchblitzt, –
Erahnen meine Sinne sich
Hoch über winterlicher Erdennacht
Ein ewiges Tagreich nächteloser Sonnen.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Die Vermutung gleicht dunklen Wolken; sie können sich auflösen oder auch ein Gewitter verursachen.
© Otto Baumgartner-Amstad (*1924), Schweizer Beamter, Korrespondent des Nidwaldner Volksblattes und Volksbühnenautor
Der nur verdient geheimnisvolle Weihe,
Der ihr durch Ahnung vorzugreifen weiß.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung
Quelle: Goethe, Die natürliche Tochter, 1803. 3. Akt, 1. Auftritt, Weltgeistlicher