11 Zitate und 1 Gedicht über Bigotterie.
Die Frömmelei des einen Teils der vornehmen Weiber fließt aus derselben Quelle, wie die Koketterie des andern Teils: Müßiggang und Langeweile. Sie vertrödeln den Tag an der geistlichen Toilette, wie die andern an der leiblichen. Der Beichtvater ist ihre Marchande de modes, die Beichte ihr Ankleidspiegel, Kirchgänge ihre Rendezvous, Haß und Verfolgung Andersdenkender ihre Eifersüchteleien und dépits amoureux.
Franz Grillparzer (1791 - 1872), Wiener Hofkonzipist und Burgtheaterdichter
Quelle: Grillparzer, Ästhetische Studien, Sprachliche Studien, Aphorismen. 1838
Nichts verschlechtert den menschlichen Charakter so tief als Frömmelei: weil sie eine Lüge eben des Heiligsten ist.
Ernst von Feuchtersleben (1806 - 1849), Ernst Maria Johann Karl Freiherr von Feuchtersleben, österreichischer Arzt, Lyriker und Essayist, prägte den Begriff der „Psychose“ in der medizinischen Literatur und gilt als Mitbegründer der Psychosomatischen Medizin
Quelle: Feuchtersleben, Blätter aus dem Tagebuche des Einsamen, in: Beiträge zur Literatur, Kunst-, und Lebenstheorie, 1841
Frömmelnde verunzieren die Menschheit in allen Organisationen, nicht nur in Religionen.
© Raymond Walden (*1945), Kosmopolit, Pazifist und Autor
Quelle: Walden, Sentenzen von Freiheit, Angelika Lenz Verlag 2005
Man soll sich vor keinem Gott fürchten, sondern sich frei machen vom Wahnglauben.
Epikur von Samos (341 - 271 v. Chr.), griechischer Philosoph
Quelle: Nestle, Die Nachsokratiker, 2 Bde., 1923. Aus unbestimmten Schriften [71]
Das eigne Verdienst noch zu erhöhen, überträgt die frömmelnde Bescheidenheit den Ruhm einer gelungenen That auf Gott, auf sich bloß den reellen Erfolg.
Emanuel Wertheimer (1846 - 1916), deutsch-österreichischer Philosoph und Aphoristiker ungarischer Herkunft
Quelle: Wertheimer, Aphorismen. Gedanken und Meinungen, 1896
Sei nicht wie der Frosch im Brunnen. Der Frosch kennt nichts Größeres als den Brunnen, in dem er sitzt. So sind alle Frömmler; ihnen gelten nur ihre eigenen Glaubenssätze.
Ramakrishna Paramahamsa (1836 - 1886), indischer hinduistischer Asket, Reformer und Philosoph, wird heute als Heiliger verehrt
Bigotterie nennt man die Scheinheiligkeit, durch die einige Kinder Gottes glauben, die Seinen zu sein!
© peter e. schumacher (1941 - 2013), Aphorismensammler und Publizist
Es gibt eine Sorte von ›Frommen‹, die nie ›sündigen‹,
aber sich verflucht gern von der Versuchung kitzeln lassen.
Peter Sirius (1858 - 1913), eigentlich Otto Kimmig, deutscher Gymnasialprofessor, Dichter und Aphoristiker
Quelle: Sirius, Tausend und Ein Gedanken, 1899
Die größte Glaubensgemeinschaft ist die der Scheinheiligen.
© Stephan Sarek (*1957), deutscher Schriftsteller
Einer Verdammten
Ha, wie sie heuchlerisch entrüstet,
Sich hüllen in die Kutten der Moral
Und wie Papa vertraulich flüstert:
»Mama, dies ist ein offener Skandal«.
Die hohe Gattin nickt verständlich
Und vor »Empörung« brennend rot
Ruft sie: »Von Denen ist es schändlich
Uns schützt vor Kindersegen doch der liebe Gott.«
Hugo Ball (1886 - 1927), deutscher Schriftsteller und Kulturkritiker, Mitbegründer der Dada-Bewegung
Quelle: Ball, H., Gedichte. Erstdruck 1915