4 Gedichte über Frühling von A. de Nora.
Frühlingsstürme
Wie ist es denn gekommen?
Es war wie ein Traum!
Es hat uns mitgenommen
Wie Blätter am Baum,
Die einsam über geblieben
Vom Winter sind,
Und die zusammengetrieben
Der Frühlingswind,
Und die aneinander schmiegen
Sich eng und dicht –
Wohin sie mitsammen fliegen
Sie wissen's nicht.
A. de Nora (1864 - 1936), Pseudonym für Anton Alfred Noder, deutscher Arzt und Dichter
Quelle: de Nora, Gedichte. Originaltext
Lerchenlied im März
Ein Lerchenlied? Du glaubst es kaum.
Hier unten noch im Schnee die Welt –
Dort oben wie ein Frühlingstraum
Ein Lerchenlied am Wolkenzelt?
Und war dir noch so schwer zumut
Und noch dein Herz so kummervoll,
Nun weißt du: bald wird alles gut!
Das erste Lerchenlied erscholl!
Aus deiner dunklen Tiefe zieht
Es dich empor zu Glück und Licht –
… Für jeden klingt ein Lerchenlied,
Doch hunderttausend hören's nicht!
A. de Nora (1864 - 1936), Pseudonym für Anton Alfred Noder, deutscher Arzt und Dichter
Quelle: de Nora, Gedichte. Hochsommer. Neue Gedichte, Verlag von L. Staakmann, 1912
Blütenzeit
Durch die Nacht, die monderglühte,
flog der Schelm, der Frühling, heut
Mit der großen Zuckertüte
Und nun ist mit weißer Blüte
Baum und Strauch und Flur bestreut.
Zucker! Zucker! Nichts als Zucker!
Alles Bittre süß gemacht!
Schnuppernd streich ich armer Schlucker,
Büchergucker, Versedrucker,
Durch die neue Blütenpracht.
Soll ich schönre Schenken suchen?
Lieblich duftet um die Nas
Mir der frische Frühlingskuchen –
Unter Linden, unter Buchen
Leg ich mich ins grüne Gras.
Und ich strample mit den Füßen
Und bis in des Magens Grund
Laß ich mir den goldnen süßen
Honigseim der Sonne fließen
Durch den offnen Schleckermund.
A. de Nora (1864 - 1936), Pseudonym für Anton Alfred Noder, deutscher Arzt und Dichter
Quelle: de Nora, Gedichte. Hochsommer. Neue Gedichte, Verlag von L. Staakmann, 1912
Föhn
Laß deinen Atem wehen,
Frühling, du Held!
Mag auch zugrunde gehen,
Was morsch auf der Welt!
Die Erde will keinen Freier,
Der lahm und lack,
Solch eine Hochzeitsfeier
Feiert im Frack.
Nein! einen wilden tollen
Nackten Geselln,
und in die Küsse sollen
Todschreie gelln!
Wogen sollen brüllen
Gepeitscht an den Strand,
Brechende Wälder füllen
Mit Stöhnen das Land,
Lawinen sollen dröhnen
Ins zitternde Tal,
Um das Brautbett tönen
Soll Sturmchoral!
So empfangen und zeugen
Riesen ihr Kind. –
– Uns ziemt es zu schweigen,
Zwerge, die wir sind …
A. de Nora (1864 - 1936), Pseudonym für Anton Alfred Noder, deutscher Arzt und Dichter
Quelle: de Nora, Gedichte. Hochsommer. Neue Gedichte, Verlag von L. Staakmann, Leipzig 1912. Originaltext