9 Zitate und 3 Gedichte über Fremd, Entfremdung.
Wer aus dem Hamsterrad herausfindet, findet sich immer noch im Käfig wieder.
© Rudolf Kamp (*1946), Dr. phil., Philosoph, Andragoge, Aphoristiker
Quelle: Kamp, Schnappsprüche. Aphorismen & Sprachspiele mit Cartoons von Pol Leurs, 2014
Wir denken erst dann daran, uns der Natur wieder zu nähern, wenn wir unserer Irrtümer durch viele unglückliche Erfahrungen innegeworden sind.
Friedrich Melchior Grimm (1723 - 1807), Friedrich Melchior Baron von Grimm, deutscher Publizist, Diplomat und Kunstagent, gab von Paris aus 1753 bis 1775 alle zwei Wochen seine "Correspondance littéraire, philosophique et critique" heraus, die er an europäische Höfe schickte und in denen er über das kulturelle Leben in Frankreich berichtete
Quelle: Grimm, Paris zündet die Lichter an. Literarische Korrespondenz (Correspondance littéraire, philosophique et critique), hg. von Kurt Schnelle, übersetzt von Herbert Kühn, Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1977. 15.2.1755
Ein fremder Geist verbreitet sich schnell über die fremdere Flur!
Friedrich von Schiller (1759 - 1805), Johann Christoph Friedrich Schiller, ab 1802 von Schiller, deutscher Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker; gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dramatiker und Lyriker
Quelle: Schiller, F., Gedichte. Aus: Der Spaziergang, 1795 (Erstdruck unter dem Titel »Elegie«)
Ich komme vom Gebirge her
Ich komme vom Gebirge her
Die Dämm‘rung liegt auf Wald und Meer;
Ich schaue nach dem Abendstern
Die Heimath ist so fern, so fern.
Es spannt die Nacht ihr blaues Zelt
Hoch über Gottes weite Welt,
Die Welt so voll und ich allein,
Die Welt so groß und ich so klein.
Sie wohnen unten Haus bei Haus,
Und gehen friedlich ein und aus;
Doch ach, des Fremdlings Wanderstab
Geht landhinauf und landhinab.
Es scheint in manches liebe Thal
Der Morgen- und der Abend-Strahl,
ich wandle still und wenig froh,
und immer fragt der Seufzer: wo?
Die Sonne dünkt mich matt und kalt,
Die Blüthe welk, das Leben alt,
Und was sie reden, tauber Schall,
Ich bin ein Fremdling überall.
Wo bist du, mein gelobtes Land,
Gesucht, geahnt und nie gekannt?
Das Land, das Land so hoffnunggrün,
Das Land, wo meine Rosen blüh’n?
Wo meine Träume wandeln geh’n,
Wo meine Todten aufersteh’n,
Das Land, das meine Sprache spricht,
Und alles hat, was mir gebricht?
Ich übersinne Zeit und Raum,
Ich frage leise Blum‘ und Baum;
Es bringt die Luft den Hauch zurück:
‚Da, wo du nicht bist, ist das Glück!‘
Georg Philipp Schmidt von Lübeck (1766 - 1849), genannt Schmidt von Lübeck, norddeutscher Lyriker, Arzt und Bankleiter
Quelle: Schmidt von Lübeck, Lieder. Dritte vermehrte und verbesserte Auflage, Altona 1847. Originaltext. 1816 vertont von Franz Schubert als "Der Wanderer"
Sich freimachen erst, dann sich in Bewegung setzen. Hat man mir aber einmal alles genommen, was mein Eigentum war, und dafür Fremdes eingesetzt, was andern beliebte, was nie in mir anwachsen wird, was soll ich damit, was soll ich das in Bewegung setzen? Mögen die es tun, die es in mich hineingestopft haben, als seien sie der Jäger und ich der Wolf, der die Großmutter gefressen hat. Und nun – was rumpumpelt in meinem Bauch? Und nun die Wackelsteine eingeladen kriegt.
Peter Hille (1854 - 1904), deutscher sozialistischer Dichter, Aphoristiker und mystischer Träumer
Quelle: Hille, Gestalten und Aphorismen, in: Gesammelte Werke von Peter Hille, Band 2, hg. von seinen Freunden 1904 (posthum)
Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.
Karl Valentin (1882 - 1948), eigentlich Valentin Ludwig Fey, deutscher Komiker, Volkssänger, Autor, Schauspieler und Filmproduzent
Quelle: Valentin, Die Fremden, 1940
Jeder Fremde, der sich fremd fühlt, [ist] ein Fremder […], und zwar so lange, bis er sich nicht mehr fremd fühlt.
Karl Valentin (1882 - 1948), eigentlich Valentin Ludwig Fey, deutscher Komiker, Volkssänger, Autor, Schauspieler und Filmproduzent
Quelle: Valentin, Die Fremden, 1940
Fremd geworden
Deinen Hügel umschreiten die Jahre ...
Jedes legt eine Handvoll Staub,
Blühende Rosen und welkes Laub
Mit schweigendem Gruß darauf nieder.
Die Sehnsucht singt ihre Lieder
Allabendlich im Rosenbaum,
Die Stürme gehn hin und wieder –
Du aber schläfst und lächelst im Traum. –
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Du wirst mir so fremd in der langen Zeit!
Wohl seh' ich dich noch, doch mein Weg führt weit,
Ach, weit an dir vorüber.
In ewiger Jugend dein Auge scheint,
Meins aber hat so viel Thränen geweint –
Es sank mir ein Schleier darüber!
Anna Ritter (1865 - 1921), deutsche Dichterin und Novellistin
Quelle: Ritter, Befreiung. Neue Gedichte von Anna Ritter, 1904. Originaltext
Wenn der Horizont klein ist, beginnt die Fremde recht nah.
© Dirk Käser (*1972), Kommunikationstrainer, Berater, Redner und Coach