306 Zitate und 100 Gedichte über Gedicht, Dichter.
Haikuh II - Für Rosa
Die Milch der Rosa
ist ein Gedicht, das sagt auch
Wimschneiders Katze.
© Brigitte Fuchs (*1951), Schweizer Autorin, Lyrikerin, Sprachspielerin
Quelle: Fuchs, Salto Wortale. Sprachliche Kapriolen, edition 8, Zürich, 2. Auflage 2011 (EA: 2006)
Der Dichter sollte wohl das höchste Recht,
Das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt,
Um deinetwillen freventlich verscherzen!
Wodurch bewegt er alle Herzen?
Wodurch besiegt er jedes Element?
Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt
Und in sein Herz die Welt zurücke schlingt?
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung
Quelle: Goethe, Faust. Eine Tragödie. Vorspiel auf dem Theater, 1808. Dichter zum Direktor
Ein Lied fast schon gesungen
Grundsätzlich lässt es sich arbeiten
in diesem poesieangefüllten Zimmer
mit Blick auf das Rasenviereck das
immergrüne die feuchtfröhlichen Stufen
zur Wäschespinne hinauf das Wort
auf der Zunge legt sich der Länge nach
wie ich es bette da ist ein Leben beinah
zur Hand da ist ein Lied fast schon
gesungen (denkst du) ach was da ist ein
Wort nichts als ein Wort und ein Gedicht
fast schon eine Notlüge meingott
© Brigitte Fuchs (*1951), Schweizer Autorin, Lyrikerin, Sprachspielerin
Quelle: Fuchs, Solange ihr Knie wippt; edition 8, Zürich 2002
Bald ist das Epigramm ein Pfeil,
Trifft mit der Spitze;
Ist bald ein Schwert,
Trifft mit der Schärfe;
Ist manchmal auch - die Griechen liebten's so-
Ein klein Gemäld', ein Strahl, gesandt
Zum Brennen nicht, nur zum Erleuchten.
Friedrich Gottlieb Klopstock (1724 - 1803), deutscher Dichter der Aufklärung
Der Philosoph denkt aus der Ewigkeit in den Tag, der Dichter aus dem Tag in die Ewigkeit.
Karl Kraus (1874 - 1936), österreichischer Schriftsteller, Publizist, Satiriker, Lyriker, Aphoristiker und Dramatiker
Quelle: Kraus, Sprüche und Widersprüche, 1909. IX. Sprüche und Widersprüche
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Dichtung jemals von dem getrennt werden kann, was ich Glauben nennen möchte und dem ich den Namen des Glaubens zu verweigern keinen Grund sehe, es sei denn, daß man alle Namen wie ein Kartenspiel durcheinandermischt.
John Eliot (Politiker) (1592 - 1632 (hingerichtet)), Sir John Eliot, englischer Politiker im Vorfeld des englischen Bürgerkriegs und ein Führer der damaligen Parlamentspartei
Des Dichters Schwert ist das Wort, der Gesang.
E. T. A. Hoffmann (1776 - 1822), Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, Vornamen eigentlich Ernst Theodor Wilhelm, 1805 umbenannt in Anlehnung an den von ihm bewunderten Wolfgang Amadeus Mozart, deutscher Erzähler, Märchendichter, Komponist, Zeichner und Maler der Spätromantik, als Richter gegen Polizeidirektor von Kamptz
Ein reiner Reim wird wohl begehrt,
Doch den Gedanken rein zu haben,
Die edelste von allen Gaben,
Das ist mir alle Reime wert.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung
Quelle: Goethe, J. W., Gedichte. Ausgabe letzter Hand. 1827, Zahme Xenien 5
Avant-propos
Ich kann mein Buch doch nennen, wie ich will
Und orthographisch nach Belieben schreiben!
Wer mich nicht lesen mag, der laß es bleiben.
Ich darf den Sau, das Klops, das Krokodil
Und jeden andern Gegenstand bedichten,
Darf ich doch ungestört daheim
Auch mein Bedürfnis, wie mir's paßt, verrichten.
Was könnte mich zu Geist und reinem Reim,
Was zu Geschmack und zu Humor verpflichten? –
Bescheidenheit? – captatio – oho!
Und wer mich haßt, - - sie mögen mich nur hassen!
Ich darf mich gründlich an den Hintern fassen
Sowie an den avant-propos.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934), eigentlich Hans Bötticher, deutscher Lyriker, Erzähler und Maler
Quelle: Ringelnatz, J., Gedichte. Die gebatikte Schusterpastete, 1921
Dichten ist ein magnetischer Schlaf mit Bewußtsein.
Wolfgang Menzel (1798 - 1873), deutscher Publizist, Bühnenautor, Dichter und Herausgeber mehrerer Literaturblätter