866 Zitate und 53 Gedichte über Gleichnis, Metapher.
Strophen
Ist einer, der nimmt alle in die Hand,
daß sie wie Sand durch seine Finger rinnen.
Er wählt die schönsten aus den Königinnen
und läßt sie sich in weißen Marmor hauen,
still liegend in des Mantels Melodie;
und legt die Könige zu ihren Frauen,
gebildet aus dem gleichen Stein wie sie.
Ist einer, der nimmt alle in die Hand,
daß sie wie schlechte Klingen sind und brechen.
Er ist kein Fremder, denn er wohnt im Blut,
das unser Leben ist und rauscht und ruht.
Ich kann nicht glauben, daß er Unrecht tut;
doch hör ich viele Böses von ihm sprechen.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, österreichischer Erzähler und Lyriker; gilt als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne
Ein Frosch
Ein Frosch – denkt Ihr, der sei gewöhnlich
Doch dabei habt Ihr weit gefehlt,
Denn ist’s so, wie im richtigen Leben
Wo nicht nur äußere Schönheit zählt.
Mit goldnem Krönchen er regiert,
Oft ganz versteckt im Märchenwald
Verwunschne Quellen, reich verziert,
Wo Nymphen oder in Gestalt
Von Nixen Zauberwesen leben,
Uns gut bekannt aus Kindertagen.
Sie sollen Träumen Hoffnung geben,
Wird uns erzählt in alten Sagen.
In manchen Fröschen wir vermuten,
Hält sich ein kleiner Prinz versteckt.
Der wendet alles dann zum Guten,
Erfüllt manch edlen andern Zweck.
Und drum sind Frösche nicht banal,
Nicht glitschig, grün und oft auch feucht.
Sie haben auch in großer Zahl
Versteckte Werte, wie es deucht!
© Isabella Kramer (*1957), Lyrikerin und Malerin
Der Himmel ist rot und orange im Morgengrauen und in der Abenddämmerung, doch ihre Botschaften sind verschieden.
© Mohinder Singh Jus (*1947), Homöopath, Gründer der SHI Homöopathie Schule in der Schweiz und Schriftsteller
Quelle: Jus, Evolution, 2. Auflage Homöosana 2002
Wegewarte
Es steht eine Blume,
Wo der Wind weht den Staub,
Blau ist ihre Blüte,
Aber grau ist ihr Laub.
Ich stand an dem Wege,
Hielt auf meine Hand,
Du hast deine Augen
Von mir abgewandt.
Jetzt stehst du am Wege,
Da wehet der Wind,
Deine Augen, die blauen,
Vom Staub sind sie blind.
Da stehst du und wartest,
Daß ich komme daher,
Wegewarte, Wegewarte,
Du blühst ja nicht mehr.
Hermann Löns (1866 - 1914), deutscher Naturforscher, Tierschilderer, Heide- und Liederdichter
Ihr tratet zu dem herde
Wo alle glut verstarb,
Licht war nur an der erde
Vom monde leichenfarb.
Ihr tauchtet in die aschen
Die bleichen finger ein
Mit suchen tasten haschen –
Wird es noch einmal schein!
Seht was mit trostgebärde
Der mond euch rät:
Tretet weg vom herde,
Es ist worden spät.
Stefan George (1868 - 1933), Stefan Anton George, deutscher Dichter und Mittelpunkt eines Kreises von Anhängern (George-Kreis)
Wandrer, der am Strom der Zeiten
Mit gesenktem Blicke ruht,
Sieh! auf seiner Flut entgleiten
Wolkenschatten, Rosenglut.
Die Natur in ihren Bildern,
Steten Laufs, doch wandelbar,
Heißt den Schmerz durch Hoffnung mildern,
Mahnt den Leichtsinn an Gefahr.
Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762 - 1834), Schweizer Dichter
Quelle: Salis-Seewis, J. G., Gedichte
Meergedanken
O wär mein Herz das tiefe Meer
Und meine Feinde die Schiffe:
Wie schleudert' es sie hin und her
An meines Hasses Riffe!
Und endlich schläng es unter sie,
Hinunter in die Tiefe,
Daß drüber glänzend spät und früh
Der Meeresfrieden schliefe!
So aber ist's 'ne Welle kaum,
Von tausenden nur eine,
Doch nagt und wäscht ihr leichter Schaum
Am morschen Schiffsgebeine!
Wir Wellen brausen treu vereint,
Und eine folgt der andern!
Wir haben all den gleichen Feind,
Nach dem wir spähn und wandern.
Das Unglück ist der Wirbelwind,
Der peitscht uns, bis wir schäumen
Und bis wir wach geschlagen sind
Von unsern Wasserträumen.
Und endlich sinkt im Trümmerfall,
Was wir so lang getragen –
Heil uns, wenn wir mit sattem Schwall
Dann oben zusammenschlagen!
Gottfried Keller (1819 - 1890), Schweizer Dichter und Romanautor
Im Gartenteich wird nie ein Schiffer scheitern,
Im kleinen Liede kein Poet erliegen,
Doch einmal muß es heißen: Kannst du fliegen?
Alfred Meißner (1822 - 1885), deutscher Dichter und Schriftsteller
Quelle: Meißner, Gedichte, 1851. Aus: Ein Ziel