76 Zitate und 217 Gedichte über Herbst.
Der scheidende Sommer
Das gelbe Laub erzittert,
Es fallen die Blätter herab;
Ach, alles was hold und lieblich
Verwelkt und sinkt ins Grab.
Die Gipfel des Waldes umflimmert
Ein schmerzlicher Sonnenschein;
Das mögen die letzten Küsse
Des scheidenden Sommers sein.
Mir ist, als müßt ich weinen
Aus tiefstem Herzensgrund;
Dies Bild erinnert mich wieder
An unsre Abschiedsstund.
Ich mußte von dir scheiden,
Und wußte, du stürbest bald;
Ich war der scheidende Sommer,
Du warst der kranke Wald.
Heinrich Heine (1797 - 1856), Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons
Quelle: Heine, H., Gedichte. Nachlese
Im Herbste
Auf des Gartens Mauerzinne
Bebt noch eine einz'ge Ranke:
Also bebt in meinem Sinne
Schmerzlich nur noch ein Gedanke.
Kaum vermag ich ihn zu fassen,
Aber dennoch von mir lassen
Will er, ach, zu keiner Frist;
Und so denk' ich ihn, und trage
Alle Nächte, alle Tage
Mit mir fort die dumpfe Klage,
Daß du mir verloren bist.
Emanuel Geibel (1815 - 1884), deutscher Lyriker und Dramatiker
Quelle: Geibel, E., Gedichte. Jugendgedichte. Viertes Buch. Escheberg. Sankt Goar
Spaziergang am Herbstabend
Wenn ich Abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse nieder wallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:
Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh' ich dann vorüber gleiten.
Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewußt, empfunden,
Dämmert auf in Seel' und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.
Und im inneren Zerfließen
Mein' ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte,
Oder mir Vergessen brachte.
Doch, dann frag' ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben?
Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
Sprich, was war es einst dem Herzen?
Völlig dunkel ist's geworden,
Schärfer bläs't der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte,
Ist vielleicht vom Baum das letzte.
Friedrich Hebbel (1813 - 1863), Christian Friedrich Hebbel, deutscher Dramatiker und Lyriker
Quelle: Hebbel, F., Gedichte
Auch der Mond ist da -
Chrysanthemen, gelb und weiß -
Herbstes Ende naht.
Shiki (1867 - 1912), japanischer Dichter
Wie der Herbstwind weht!
Doch wir beide leben noch,
beide, du und ich.
Shiki (1867 - 1912), japanischer Dichter
Tosender Applaus
für die dürre Blattmasse:
wie sie leis' landet.
© Stephan Dreyer (*1957), deutscher Diplom-Agrarbiologe, Texter, Autor und Publizist, Hobby-Lyriker, Hobby-Aphoristiker und Gebrauchs-Poet, frühere Veröffentlichungen unter dem Pseudonym Raudonas Brokas
Quelle: Brokas, Schwarzer Engel Weiße Blume. Wanderungen durch japanoide Kurzlyrik (Haiku, Senryu, Tanka) und Aphorismen, Dr. Scriptor OHG 2004
O trübe diese Tage nicht«
O trübe diese Tage nicht,
Sie sind der letzte Sonnenschein,
Wie lange, und es lischt das Licht,
Und unser Winter bricht herein.
Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag,
Daß so die Stunde wiederkehrt.
Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;
Ein süßer Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz,
O sorge, daß uns keine fehlt,
Und gönn uns jede Stunde ganz.
Theodor Fontane (1819 - 1898), dt. Schriftsteller, Journalist, Erzähler und Theaterkritiker
Quelle: Fontane, T., Gedichte. Ausgabe 1898
Lang fallen Schatten
auf geschlossene Fenster
setzen sich Sterne.
© Ruth W. Lingenfelser (*1952), Sekretärin, Dichterin, Aphoristikerin und Buchautorin