24 Zitate und 14 Gedichte über Karneval.
An die Redaktion der »Lustigen Blätter«
Auch uns, in ehren sei's gesagt,
Hat einst der Karneval behagt,
Besonders und zu allermeist
In einer Stadt, die München heißt.
Wie reizend fand man dazumal
Ein menschenwarmes Festlokal,
Wie fleißig wurde über nacht
Das Glas gefüllt und leer gemacht,
Und gingen wir im Schnee zuhaus,
War grad die frühe Meße aus,
Dann konnten gleich die frömmsten Fraun
Sich negativ an uns erbaun.
Die Zeit verging, das Alter kam,
Wir wurden sittsam, wurden zahm.
Nun sehn wir zwar noch ziemlich gern
Die Sach uns an, doch nur von fern
(Ein Auge zu, Mundwinkel schief)
Durch's umgekehrte Perspektiv.
Abgeschickt 30ten Jan. 1905.
Wilhelm Busch (1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller
Quelle: Busch, W., Briefe. An die Redaktion der »Lustigen Blätter«, Abgeschickt am 30ten Jan. 1905
Schelm von Bergen
Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein
Wird Mummenschanz gehalten;
Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,
Da tanzen die bunten Gestalten.
Da tanzt die schöne Herzogin,
Sie lacht laut auf beständig;
Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,
Gar höfisch und behendig.
Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,
Daraus gar freudig blicket
Ein Auge, wie ein blanker Dolch,
Halb aus der Scheide gezücket.
Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,
Wenn jene vorüberwalzen.
Der Drickes und die Marizzebill
Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.
Und die Trompeten schmettern drein,
Der närrische Brummbaß brummet,
Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
Und die Musik verstummet.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Ich muß nach Hause gehen –«
Die Herzogin lacht: »Ich laß dich nicht fort,
Bevor ich dein Antlitz gesehen.«
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen –«
Die Herzogin lacht: »Ich fürchte mich nicht,
Ich will dein Antlitz schauen.«
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Der Nacht und dem Tode gehör ich –«
Die Herzogin lacht: »Ich lasse dich nicht,
Dein Antlitz zu schauen begehr ich.«
Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,
Das Weib nicht zähmen kunnt er;
Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt
Die Maske vom Antlitz herunter.
»Das ist der Scharfrichter von Bergen!« so schreit
Entsetzt die Menge im Saale
Und weichet scheusam – die Herzogin
Stürzt fort zu ihrem Gemahle.
Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach
Der Gattin auf der Stelle.
Er zog sein blankes Schwert und sprach:
»Knie vor mir nieder, Geselle!
Mit diesem Schwertschlag mach ich dich
Jetzt ehrlich und ritterzünftig,
Und weil du ein Schelm, so nenne dich
Herr Schelm von Bergen künftig.«
So ward der Henker ein Edelmann
Und Ahnherr der Schelme von Bergen.
Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.
Jetzt schläft es in steinernen Särgen.
Heinrich Heine (1797 - 1856), Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons
Quelle: Heine, H., Gedichte. Romanzero. Erstes Buch. Historien. Schelm von Bergen
Karneval: Freiwilliger Lachzwang.
© Erhard Schümmelfeder (*1954), deutscher Erzieher und Schriftsteller
Quelle: Schümmelfeder, Denkzettel eines Zweiflers. Unzensierte Gedanken, 2013 (EA: 1991)
Das einzig Leidtragende im Karneval: das Nervenkostüm.
© Jürgen Wilbert (*1945), Dr. phil., deutscher Literat und Aphoristiker
Quelle: Wilbert, Hirnbissiges, Basilisken-Presse 2006
Narrentreiben
Jetz isses wieder Narrenzeit,
ja mei wie des die Narren freut!
Der Wecker klingt, es Aug' geht auf
und schon sinnse verdammt gut drauf!
Es wird geschminkt und kostümiert,
denn wer nicht auffällt, der verliert!
Perücke, Glatze oder Hut, irgendwas
steht jedem gut!
Dann endlich geht’s ins Narrentreiben,
'n Jeck will nicht zuhause bleiben!
Singen, trinken und laut lachen, weil
heut da läßt's ein jeder krachen!
Es wird geherzt und auch geküsst
und ned g'fragt, wer da ander ist!
Zu fortgeschritt'ner Stunde dann
hängt jeder an am andan dran!
Auf allen vieren kriecht man heim,
als Single oder auch zu zwei'n!
Doch nicht ein jeder, des is gut,
hat mit dem Fasching was am Hut!
Wenn andre sich zum Affen machen
kann so einer ned drüber lachen!
Auf Knopfdruck lustig ist suspekt,
in manchem das den Argwohn weckt!
Bei Schunkelei und blöde Lieder
fährt ihm der Schrecken in die Glieder!
Hellau, Alaaf und Täterää, des tut
ihm in den Ohren weh!
Im Fernseh'n da kommt auch nur Schrott,
beend den Schmarrn, ich bitt dich Gott!
Und ja, schau her, es is soweit.
Vorbei is wieder, d' Narrenzeit.
Der eine mag's, der andre nicht,
so bleibt die Welt im Gleichgewicht.
Und eine Sache, die is' klar –
im »echten« Leben sei kein Narr!
© Sarah Razak (*1975), Nachdenkerin
Der Februar ist (sozusagen)
reich an Narren, arm an Tagen.
© Klaus Klages (1938 - 2022), deutscher Gebrauchsphilosoph und Abreißkalenderverleger
Karneval. Bütte nicht!
© Alexander Eilers (*1976), Aphoristiker
Quelle: Eilers, Kätzereien, Verlag litblockin 2008
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Achtung! Aschermittwoch sind auf dem Wege vom Kapuzinergraben, Friedrich-Wilhelm-Platz und Wirichsbongardstraße mehrere Hundert Werthscheine vulgo Passepartout verloren gegangen. Die glücklichen Finder werden gebeten, selbige in den betreffenden Lokalen abzutrinken. Prost!
Quelle: Aachener Kritische Revue, 1891-94
Fasching / Karneval:
Die Zeit, in der der Humor ernst macht.
© KarlHeinz Karius (*1935), Urheber, Mensch und Werbeberater
Quelle: Karius, WortHupferl-Edition, WortHupferl-Verlag