105 Zitate und 8 Gedichte über Katastrophe, Untergang.
Sollten die Untergangspropheten Recht behalten,
ist nächstes Jahr die Sintflut en vogue.
© Heimito Nollé
(*1970), Medienanalyst
Quelle: Nollé, Aussätzer. Aphorismen, Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer, Bochum 2014. Wiedergabe mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Zeit.Geschichte
Wo alle Störungen eliminiert sind,
kann die Katastrophe nicht weit sein.
© Elmar Schenkel (*1953), Anglist, Autor, Übersetzer, Maler
Quelle: Schenkel, Befragung der Schwalben. Notizen und Aphorismen, edition vulcanus 2012
Der Schalter für den Weltuntergang liegt in den Köpfen der Menschen.
© Erwin Koch (*1932), deutscher Aphoristiker
Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.
Jakob van Hoddis (1887 - 1942), eigentlich Hans Davidsohn, deutscher Dichter des Expressionismus
Quelle: van Hoddis, Weltende. Gesammelte Dichtungen, hg. v. Paul Pörtner, Arche, Zürich 1958. Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Der Demokrat, Berlin 1911
Umbra vitae
Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen
Und sehen auf die großen Himmelszeichen,
Wo die Kometen mit den Feuernasen
Um die gezackten Türme drohend schleichen
Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,
Die in den Himmel stecken große Röhren.
Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern,
In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören,
Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen
In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragen
Das Wälzen und das Jammern vieler Siechen,
Und welche rennen mit den Totenschragen.
Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,
Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen,
Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden,
Den Staub zerlegend mit den Armen-Besen.
Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile,
Die Haare fallen schon auf ihren Wegen,
Sie springen, daß sie sterben, und in Eile,
Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen.
Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere
Stehn um sie blind, und stoßen mit dem Horne
In ihren Bauch. Sie strecken alle viere
Begraben unter Salbei und dem Dorne.
Die Meere aber stocken. In den Wogen
Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,
Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen
Und aller Himmel Höfe sind verschlossen.
Die Bäume wechseln nicht die Zeiten
Und bleiben ewig tot in ihrem Ende
Und über die verfallnen Wege spreiten
Sie hölzern ihre langen Finger-Hände.
Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,
Und eben hat er noch ein Wort gesprochen.
Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben?
Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen.
Schatten sind viele. Trübe und verborgen.
Und Träume, die an stummen Türen schleifen,
Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen,
Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen.
Georg Heym (1887 - 1912), deutscher Lyriker und Expressionist mit pessimistischen Visionen
Quelle: Heym, G., Gedichte. Umbra vitae. Nachgelassene Gedichte, 1912
Der Aphoristiker erklärt uns im Einzelnen das Drum am Großen und das Dran am Ganzen.
© Billy (1932 - 2019), eigentlich Walter Fürst, Schweizer Aphoristiker
Quelle: Billy, Aphoretum – Gesammelte Aphorismen, 2010
Katastrophen sind die Antworten des Sinns auf die Fragen des Zwecks.
© Billy (1932 - 2019), eigentlich Walter Fürst, Schweizer Aphoristiker
Quelle: Billy, Aphoretum – Gesammelte Aphorismen, 2010
Wenn der Mensch reif ist zum Untergang, kann ihn ein Strohhalm vernichten so gut wie ein Blitzstrahl.
Mahabharata indisches Nationalepos aus dem Hindu-Sanskrit, deren wichtigstes Lehrgedicht die Bhagavadgîtâ ist; entstand um 400 v. Chr. bis um 400 n. Chr., als Verfasser gilt Vjāsa
Quelle: Hertz (Hg.), Worte der Weisen aus allen Völkern und Zeiten, Stuttgart 1886. VII, 429
Ach, warum warten so viele Frauen und Männer erst auf Katastrophen, um ihre Selbsterziehung zu beginnen!
Ida Boy-Ed (1852 - 1928), deutsche Schriftstellerin
Quelle: Boy-Ed, Fanny Förster. Roman, 1889