55 Zitate und 24 Gedichte über Melancholie.
Statt mich in Verzweiflung gehen zu lassen, habe ich mich für die tätige Melancholie entschieden, insofern Tätigkeit in meiner Macht stand, oder, mit anderen Worten, ich habe die Melancholie, die hofft und strebt und sucht, einer Melancholie vorgezogen, die trübsinnig und tatenlos verzweifelt.
Vincent van Gogh (1853 - 1890), holländischer Maler und Grafiker
Melancholie: das Parfum des Schicksals, der Nebel der Trauer, die Erotik der Depression.
© Markus Weidmann Schweizer Schriftsteller
An die Melancholie (1832)
Du geleitest mich durchs Leben,
Sinnende Melancholie!
Mag mein Stern sich strahlend heben,
Mag er sinken – weichest nie!
Führst mich oft in Felsenklüfte,
Wo der Adler einsam haust,
Tannen starren in die Lüfte
Und der Waldstrom donnernd braust.
Meiner Toten dann gedenk ich,
Wild hervor die Träne bricht,
Und an deinen Busen senk ich
Mein umnachtet Angesicht.
Nikolaus Lenau (1802 - 1850), eigentlich Nikolaus Franz Niembsch, Edler von Strehlenau, österreichischer Dichter und melancholischer Lyriker
Quelle: Lenau, N., Gedichte
Melancholie ist ein Tropfen Wermut aus dem Krug der Depression.
© Klaus Ender (1939 - 2021), deutsch-österreichischer Fachbuchautor, Poet, bildender Künstler der Fotografie
Natur bringt wunderliche Käuz' ans Licht.
Der drückt die Augen immer ein, und lacht
Wie'n Starmatz über einen Dudelsack;
Ein andrer von so sauerm Angesicht,
Daß er die Zähne nicht zum Lachen wiese,
Schwür' Nestor auch, der Spaß sei lachenswert.
William Shakespeare (1564 - 1616), englischer Dichter, Dramatiker, Schauspieler und Theaterleiter
Quelle: Shakespeare, Der Kaufmann von Venedig (The Merchant of Venice), um 1596-1598, Erstdruck 1600
Gekommen ist der Maie,
Die Blumen und Bäume blühn,
Und durch die Himmelsbläue
Die rosigen Wolken ziehn.
Die Nachtigallen singen
Herab aus der laubigen Höh',
Die weißen Lämmer springen
Im weichen grünen Klee.
Ich kann nicht singen und springen,
Ich liege krank im Gras;
Ich höre fernes Klingen,
Mir träumt, ich weiß nicht was.
Heinrich Heine (1797 - 1856), Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons
Quelle: Heine, H., Gedichte. Neue Gedichte. Neuer Frühling, 5.
Er dimmte sein Lächeln herunter. Als es dunkel war, war ihm zum Weinen.
© Markus Weidmann Schweizer Schriftsteller
Coda
Und kann ich nicht sein
Mit dir zu zwein,
So will ich, allein,
Der Schwermut mich weihn!
Joseph von Eichendorff (1788 - 1857), Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff, deutscher Dichter, Novellist und Dramatiker
Es gibt eine Melancholie, die mit der Größe des Geistes zusammenhängt.
Nicolas Chamfort (1741 - 1794), eigentlich Sébastien Roch Nicolas de Chamfort, französischer Dramatiker, Mitglied der Académie Française
Quelle: Chamfort, Maximen und Gedanken. Charaktere und Anekdoten (Maximes et pensées: Caractères et anecdotes), 1795. In: Die französischen Moralisten. Die Aphorismenbücher in vollständiger Gestalt. Verdeutscht und hg. von Fritz Schalk, Leipzig 1938
Die Eulen schrein
Die Eulen schrein. Es schmerzt wie Geierbiß
Ratloser Reue dieser hohle Ton
Der nächtgen Vögel dumpf und heiß im Hirn.
Die leere Nacht stöhnt: stumm doch atemschwer.
Mir ist, als atmete ihr Schlund den Rest
Von Glück ein, den ein leerer Tag mir ließ.
Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910), auch Martin Möbius, deutscher Lyriker, Romanautor und Herausgeber der Zeitschrift »Pen«