65 Zitate und 1 Gedicht über Oberflächlichkeit.
Oberflächlichkeit
Denk nicht, das Leben sei ein Spiel!
Es meint's gar ernst, ja, mehr als ernst.
Erforsche seinen Zweck, sein Ziel,
damit du es begreifen lernst!
Du gehst behaglich hier spazieren,
machst dir's so viel wie möglich leicht
und glaubst was wunder zu verlieren,
wenn sich ein Tag nicht folgsam zeigt.
Und brauchst du irgend welche Sorgen,
so muß die Erde sie dir borgen.
Du gehst auf einem weiten Moor,
das du wohl fest und sicher nennst,
nur weil du seinen Blumenflor
nicht als zum Sumpf gehörig kennst.
Du sollst hinüber, sollst dich retten
und bist verloren, bleibst du stehn;
wirst du gehalten von den Kletten,
so sinkst du ein, mußt untergehn.
Und zieht dich das Verderben nieder,
so gibt es dich dann niemals wieder.
Denk nicht, das Leben sei ein Spiel;
es ist die Rettung vor dem Tod,
der Schritt um Schritt, bis an das Ziel
stets unter deinen Füßen droht.
Du gehst darüber, täglich, stündlich
und siehst es nicht, wie tief es ist;
es ist ja grad so unergründlich,
weil du so oberflächlich bist.
O, denke tiefer dich ins Leben,
dann kann's für dich noch Rettung geben!
Karl May (1842 - 1912), eigentlich Carl Friedrich May, Pseudonym Karl Hohenthal; dt. Jugendschriftsteller
Oberflächlichkeit sollte sich nicht auch noch äußern.
© Beat Rink (*1957), Schweizer Theologe und Aphoristiker
Quelle: Rink, Verleisbarungen, 2005
Ist es möglich, daß man trotz Erfindungen und Fortschritten, trotz Kultur, Religion und Weltweisheit an der Oberfläche des Lebens geblieben ist? Ist es möglich, daß man sogar diese Oberfläche, die doch immerhin etwas gewesen wäre, mit einem unglaublich langweiligen Stoff überzogen hat, so daß sie aussieht wie die Salonmöbel in den Sommerferien?
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, österreichischer Erzähler und Lyriker; gilt als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne
Quelle: Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, 1910
Die Spaßgesellschaft wird ein immer ernsteres Problem.
© Siegfried Wache
(*1951), technischer Zeichner, Luftfahrzeugtechniker und Buchautor
In den Tag hineinleben;
aus dem Tag hinaussterben.
© Walter Ludin (*1945), Schweizer Journalist, Redakteur, Aphoristiker und Buchautor, Mitglied des franziskanischen Ordens der Kapuziner
Quelle: Ludin, Einfach ins Blaue, Brunner Verlag 1998
Das Tiefste, was uns interessiert,
ist gewöhnlich die Oberfläche.
© Paul Mommertz (*1930), deutscher Schriftsteller, Autor von Drehbüchern, Bühnenstücken und Hörspielen
Quelle: Mommertz, Sichtwechsel. Aphorismen über Menschen und Meinungen, 2005
Von allem, was ausgerechnet wird in der Welt, geschehen zwei Drittel gedankenlos.
Georg Christoph Lichtenberg (1742 - 1799), deutscher Physiker und Meister des Aphorismus
Quelle: Lichtenberg, Sudelbuch J, 1789-1794. [J 894]
Die Untiefen der Seele sind die Untiefen der Welt. Aber nicht der Flache erschöpft die Welt, sondern diese ihn. Somit ist er kein Maßstab der Dinge.
Paul Richard Luck (1880 - 1940), deutscher Schriftsteller
Quelle: Luck, Stimmen der Stille. Aphorismen, 1919