214 Zitate und 23 Gedichte über Vergessen.
Der Vergeß
Er war voll Bildungshung, indes,
soviel er las
und Wissen aß,
er blieb zugleich ein Unverbeß,
ein Unver, sag ich, als Vergeß;
ein Sieb aus Glas,
ein Netz aus Gras,
ein Vielfreß –
doch kein Haltefraß.
Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer
Quelle: Morgenstern, C., Gedichte. Alle Galgenlieder
Es ist unglaublich, was die Welt vergißt und – was sie nicht vergißt.
Marie von Ebner-Eschenbach (1830 - 1916), Marie Freifrau Ebner von Eschenbach, österreichische Erzählerin, Novellistin und Aphoristikerin
Quelle: Ebner-Eschenbach, Aphorismen (in: Sämtliche Werke, Erster Band), 1920
Heute vor dem Busen,
morgen vor dem Besen.
Abraham a Sancta Clara (1644 - 1709), eigentlich Johann Ulrich Megerle, deutscher Augustiner-Barfüßer, hielt in Augsburg, Graz, Wien als Kaiserlicher Prediger volkstümliche, drastische, durch Witze und Wortspiele belebte Predigten, Schillers Vorlage zur Kapuzinerpredigt in »Wallensteins Lager«
Kinderleicht. Wie vergeßlich Erwachsene sind!
© Emil Baschnonga (*1941), Schweizer Schriftsteller und Aphoristiker
Der vergessende Mensch verliert nicht nur seine Vergangenheit, auch die Zukunft erscheint ihm immer undeutlicher.
© Martin Gerhard Reisenberg (*1949), Diplom-Bibliothekar und Autor
Es gehört sehr viel Kraft zum Vergessen dazu, um leben zu können.
Friedrich Nietzsche (1844 - 1900), Friedrich Wilhelm Nietzsche, deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller
Quelle: Nietzsche, F., Nachgelassene Fragmente. Sommer – Herbst 1873
Man vergißt vielleicht, wo man die Friedenspfeife vergraben hat, aber man vergißt niemals, wo das Beil liegt.
Mark Twain (1835 - 1910), eigentlich Samuel Langhorne Clemens, US-amerikanischer Erzähler und Satiriker
Zu allem Handeln gehört Vergessen: wie zum Leben alles Organischen nicht nur Licht, sondern auch Dunkel gehört.
Friedrich Nietzsche (1844 - 1900), Friedrich Wilhelm Nietzsche, deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller
Quelle: Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen, 1873-76. Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, 1874
Selig sind die Vergesslichen: denn sie werden auch mit ihren Dummheiten „fertig“.
Friedrich Nietzsche (1844 - 1900), Friedrich Wilhelm Nietzsche, deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller
Quelle: Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, 1886. Siebentes Hauptstück. Unsere Tugenden