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in den letzten 10 Tagen
Mein Herz ich will dich fragen:
Was ist denn Liebe, sag?
"Zwei Seelen und ein Gedanke,
zwei Herzen und ein Schlag!"
Und sprich, woher kommt Liebe?
"Sie kommt und sie ist da!"
Und sprich, wie schwindet Liebe?
"Die war's nicht, der's geschah!
Und was ist reine Liebe?
"Die ihrer selbst vergißt!"
Und wann ist Lieb am tiefsten?
"Wenn sie am stillsten ist!"
Und wann ist Lieb am reichsten?
"Das ist sie, wenn sie gibt!"
Und sprich, wie redet Liebe?
"Sie redet nicht, sie liebt!"
Friedrich Halm (1806 - 1871), eigentlich Eligius Franz Joseph Freiherr von Münch-Bellinghausen, österreichischer Dramatiker, Lyriker, Novellist und Intendant des Hoftheaters
Spruch
Pflanz einen Baum,
Und kannst du auch nicht ahnen,
Wer einst in seinem Schatten tanzt,
Bedenke Mensch:
Es haben deine Ahnen,
Eh' sie dich kannten,
Auch für dich gepflanzt!
Max Bewer (1861 - 1921), deutscher Schriftsteller und Dichter
Gefunden
Ich ging im Walde so für mich hin,
und nichts zu suchen, das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich ein Blümchen steh'n,
wie Sterne leuchtend, wie Äuglein schön.
Ich wollt' es brechen, da sagt' es fein:
Soll ich zum Welken gebrochen sein?
Ich grub's mit allen den Würzlein aus,
zum Garten trug ich's, am hübschen Haus,
Und pflanzt es wieder am stillen Ort;
Nun zweigt es immer und blüht so fort.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung
Quelle: Goethe, J. W., Gedichte. Ausgabe letzter Hand. 1827, Lieder
Er ist's
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!
Eduard Mörike (1804 - 1875), deutscher Erzähler, Lyriker und Dichter
Quelle: Mörike, E., Gedichte. Ausgabe 1867. Entst. 1829
Du mußt das Leben nicht verstehen
Du mußt das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und laß dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken läßt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), eigentlich René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, österreichischer Erzähler und Lyriker; gilt als einer der bedeutendsten Dichter der literarischen Moderne
Quelle: Rilke, Die Gedichte. Nach der von Ernst Zinn besorgten Edition der sämtlichen Werke, Insel Verlag 1957. Mir zur Feier, 1909
Der Sack und die Mäuse
Ein dicker Sack voll Weizen stand
Auf einem Speicher an der Wand. –
Da kam das schlaue Volk der Mäuse
Und pfiff ihn an in dieser Weise:
"Oh, du da in der Ecke,
Großmächtigster der Säcke!
Du bist ja der Gescheitste,
Der dickste und der Breitste!
Respekt und Referenz
Vor eurer Exzellenz!"
Mit innigem Behagen hört
Der Sack, daß man ihn so verehrt.
Ein Mäuslein hat ihm unterdessen
Ganz unbemerkt ein Loch gefressen.
Es rinnt das Korn in leisem Lauf.
Die Mäuse knuspern's emsig auf.
Schon wird er faltig, krumm und matt.
Die Mäuse werden fett und glatt.
Zuletzt, man kennt ihn kaum noch mehr,
Ist er kaputt und hohl und leer.
Erst ziehn sie ihn von seinem Thron;
Ein jedes Mäuslein spricht ihm Hohn;
Und jedes, wie es geht, so spricht's:
"Empfehle mich, Herr Habenichts!"
Wilhelm Busch (1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller
Quelle: Busch, Bildergeschichten. Stippstörchen für Aeuglein und Oerchen«, 1880
In der Stille angekommen
In der Stille angekommen
gehe ich in mich,
stehe ich zu meinen
Stärken und Schwächen,
liegen mir mein Leben
und die Liebe
am Herzen.
In der Stille angekommen,
sehe ich mich, dich, euch
und die Welt
mit anderen Augen,
mit den Augen des Herzens.
In der Stille angekommen,
höre ich auf mein Inneres,
spüre ich Geborgenheit,
lerne ich Gelassenheit,
tanke ich Vertrauen.
© Ernst Ferstl (*1955), österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker
Quelle: Ferstl, Herznah. Gedichte, Asaro-Verlag 2003
Deine Mutter
Wenn du noch eine Mutter hast,
So danke Gott und sei zufrieden;
Nicht allen auf dem Erdenrund
Ist dieses hohe Glück beschieden.
Wenn du noch eine Mutter hast,
So sollst du sie mit Liebe pflegen,
Daß sie dereinst ihr müdes Haupt
In Frieden kann zur Ruhe legen.
Denn was du bist, bist du durch sie;
sie ist dein Sein, sie ist dein Werden,
Sie ist dein allergrößtes Gut,
Und ist dein größter Schatz auf Erden.
Des Vaters Wort ist ernst und streng,
Die gute Mutter mildert´s wieder;
Des Vaters Segen baut das Haus,
Der Fluch der Mutter reißt es nieder.
Sie hat vom ersten Tage an,
Für dich gelebt mit bangen Sorgen;
Sie brachte abends dich zur Ruh'
und weckte küssend dich am Morgen.
Und warst du krank, sie pflegte dein,
Den sie mit tiefem Schmerz geboren;
Und gaben alle dich schon auf –
Die Mutter gab dich nicht verloren.
Sie lehrte dir den frommen Spruch,
Sie lernte dir zuerst das Reden;
Sie faltete die Hände dein,
Und lehrte dich zum Vater beten.
Sie lenkte deinen Kindersinn,
Sie wachte über deine Jugend;
Der Mutter danke es allein,
Wenn du noch gehst den Pfad der Tugend.
[...]
Und hast du keine Mutter mehr,
Und kannst du sie nicht mehr beglücken,
So kannst du doch ihr frühes Grab
Mit frischen Blumenkränzen schmücken.
Ein Muttergrab, ein heilig Grab,
Für dich die ewig heil'ge Stelle;
O, wende dich an diesen Ort,
Wenn dich umtost des Lebens Welle!
Friedrich Wilhelm Kaulisch (1827 - 1881), deutscher Schriftsteller, Lyriker, Erzähler und Romanautor